Fachkräftemangel in der Pflege: Bundesagentur für Arbeit und Vamed Klinik Kipfenberg gehen einen neuen Weg – und der ist sehr vielversprechend.
(ir) Reizworte wie „Pflegenotstand“ oder „Fachkräftemangel im Pflegebereich“ haben sich bereits lange vor Ausbruch der Pandemie einen Stammplatz in unserem Vokabular erobert. Mit einem gemeinsamen Projekt, der Anwerbung von Pflegefachkräften aus Brasilien, gehen die Vamed Klinik Kipfenberg, die Zentrale Auslandsvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit und die örtliche Arbeitsagentur Ingolstadt gemeinsam einen neuen, vielversprechenden Weg.
Insgesamt zehn Pflegefachkräfte aus Rio de Janeiro unterstützen nach einem intensiven Deutsch-Sprachkurs im Heimatland und einer mehrmonatigen Anerkennungsqualifizierung vor Ort demnächst das Pflegeteam der Klinik.
Doch der Reihe nach: Neben der Qualifizierung ihres eigenen ungelernten Personals und der Gewinnung von Fachkräften aus EU-Staaten setzt die Geschäftsleitung der Klinik nunmehr auch auf die Akquise in Brasilien – und das konsequent in enger Zusammenarbeit mit der ZAV und der Agentur für Arbeit Ingolstadt.
Auf eine in Portugiesisch verfasste und in Rio veröffentlichte Zeitungsanzeige meldeten sich rund 480 Bewerber, von denen im März 2020 – organisiert von der ZAV – 19 Pflegefachkräfte (davon neun für die Vamed Klinik in Berching), von einer Delegation des künftigen Arbeitgebers in der brasilianischen Millionenmetropole im persönlichen Gespräch ausgewählt wurden. Nach Beendigung des Deutsch-Sprachkurses im Heimatland, der eigentlich in Präsenzunterricht geplant, aufgrund des Ausbruchs der Pandemie aber online durchgeführt werden musste, konnten die 17 Damen und zwei Herren aus Südamerika am 3. März dieses Jahres am Frankfurter Flughafen in Empfang genommen werden.
„Wir haben uns ganz bewusst für die Akquise in Brasilien entschieden, da dort die Ausbildung im Pflegebereich mit einem Bachelorabschluss eine hohe Qualität vorweisen kann“, erklärt Steven Theilig, Verwaltungsleiter der Klinik, die Herangehensweise.
Doch allein mit der Anwerbung ist es bei weitem noch nicht getan. „Die Sprache ist der Schlüssel und die Integration das A und O“, erläutert Klinikgeschäftsführer Johannes Bracht. Einreise- und Quarantänevorschriften, Wohnungssuche, Behördengänge, „Unmengen an Papier“, insgesamt viele bürokratische Hürden und die Begleitung bei der Freizeitgestaltung standen und stehen auf der Agenda des Betreuungsteams. Lohnt der Aufwand? „Auf jeden Fall! Wir haben ganz tolle Kolleginnen und Kollegen hinzugewonnen. Im Übrigen sind alle ausländischen Fachkräfte, die seit 2019 bei uns angefangen haben, noch hier“, sagt Johannes Bracht nicht ohne Stolz.
Neben der Sensibilisierung des Stammpersonals ist die Qualifizierung ein weiterer wichtiger Baustein. Zwar genießt die brasilianische Pflegeausbildung einen hervorragenden Ruf, dennoch gibt es Unterschiede, die es auszugleichen gilt. In Abstimmung mit der Agentur für Arbeit Ingolstadt absolvieren die „Neuen“ einen sechsmonatigen Anerkennungskurs, an dessen Ende im November eine Prüfung nach deutschem Recht wartet.
„Wir arbeiten Defizite sehr individuell und zielorientiert auf und können Arbeitgeber bei den Kosten für den Anerkennungskurs, die ausgefallene Arbeitszeit und die Fahrkosten gut unterstützen“ hebt Anja Schlippes-Rembold, Berufsberaterin für Menschen im Erwerbsleben, die Vorteile der engen Absprache mit der Agentur für Arbeit Ingolstadt heraus.
Trotz der intensiven Bemühungen aller Beteiligten gibt es natürlich noch viele Dinge, welche die jungen Pflegekräfte vom Zuckerhut vermissen: Familie und Freunde werden ebenso genannt wie Sandstrand, pulsierendes Stadtleben, und das südamerikanische Rindfleisch.
Geschätzt werden vor allem die deutsche Lebensqualität und der Sicherheitsstandard. Und was fürchtet der Kliniknachwuchs am meisten? Den Winter – wen wundert´s.
Das Foto zeigt Praxisanleiterin Tina Roelandt (links), die den Pflegenachwuchs aus Brasilien auf den Einsatz auf Station vorbereitet.