Arzthelferinnen gehen leer aus



Nachdem die Mitarbeitenden des bayerischen Gesundheitsministerium eine Corona-Zulage von 500 Euro erhalten, verfasste Dr. Anton Böhm ein Schreiben.

Unsere Redaktion erreichte ein Leserbrief von Dr. Anton Böhm, der nachfolgend ungekürzt veröffentlicht wird:

„Selbstbedienung?
Mit völligem Unverständnis haben wir vernommen, dass die Mitarbeiterinnen des bayerischen Gesundheitsministeriums im Dezember eine Extra-Corona-Zulage von 500 Euro für Ihre große Arbeitsbelastung durch die Corona-Pandemie erhalten. Wer zurzeit irgendwo auf der Welt im Gesundheitswesen, in welchem Bereich auch immer, tätig ist, hat eine riesige Arbeitsbelastung. Es ist uns niemand bekannt, der hier nicht viele Überstunden hat.




Eine staatliche Gefahrenzulage, wie sie den Mitarbeiterinnen in den Kliniken, Senioren- und Pflegeheimen gewährt wird, und sicher auch zusteht, kann es ja nicht sein. Diese wird aber den medizinischen Fachangestellten (MFA) in der hausärztlichen Versorgung verweigert, obwohl dort mindestens 80 Prozent der COVID-19-Positiven versorgt werden.



Diese MFAs sind tagtäglich dem Infektionsrisiko ausgesetzt. Man kann nicht alle Patientinnen mit Akuterkrankungen oder ambulant zu versorgenden Wunden vorher durch einen Schnelltest abklären. Hierfür gibt es bei weitem nicht genügend Schnelltests und wer sollte das bezahlen? Eine Kassenabrechnungsnummer gibt es dafür im Übrigen noch immer nicht. Auch der Umgang mit Infektpatienten und deren Abstriche zum Beispiel im Labor enthält ein großes Risiko.



Daneben übernehmen derzeit die MFAs noch Aufgaben, die eigentlich den Gesundheitsämtern obliegen. Am Wochenende werden beispielsweise die Menschen, bei denen ein Abstrich vorgenommen wurde, von den MFAs kontaktiert, um Ihnen das Ergebnis mitzuteilen und ihr Befinden abzufragen. Wenn nötig wird eine Ärztin hinzugezogen. Die Gesundheitsämter können oftmals aufgrund von Personalmangel und der großen Anzahl an Positiven diese Aufgaben nicht mehr komplett selbst erfüllen.



Es muss den MFAs ‚an der Front‘ wie ein Hohn vorkommen, wenn sich unser Ministerium selbst aus öffentlichen Kassen bedient und ihnen selbst jegliche Gefahrenzulage verwehrt bleibt. Im Gegenteil drangsaliert die staatliche Bürokratie unsere Arbeit und damit insbesondere die der MFAs in Pandemiehochzeiten zusätzlich mit ständig neuen Abrechnungs- und Abstrichvorschriften, welche die MFAs an den Rand der Verzweiflung treiben. Gleichzeit musste gerade diesen November (Spahn lässt grüßen!) neu auf jedem Rezept eine Dosierungsangabe eingeführt werden und am 1. April 2021 (kein Scherz) soll eine neue Heilmittelverordnung in Kraft treten. Über das Grippeimpfchaos mit Showvorführung des Gesundheitsministers und einer übergroßen Staatsreserve, die jetzt noch nicht ausgeliefert ist und vieles andere mehr wollen wir uns gar nicht mehr äußern, denn das würde weitere Seiten füllen.



Erinnern muss man auch noch daran, dass zu Beginn der Pandemie die Ausstattung mit Schutzmaterialien einem Staatsversagen gleichkam. Sollten die Mitarbeiterinnen der Gesundheitsministerien (des bayerischen oder des Bundes) jedoch eine Prämie für die vielen bürokratischen Knüppel, die sie uns zwischen die Beine werfen, erhalten, so sehen wir sogar eine deutlich höhere Zulage als berechtigt an.

Dr. med. Anton Böhm, Ärztlicher Leiter der Hausarztzentren Ingolstadt“