Fachverband für Menschen mit Hörbehinderung bietet in Ingolstadt Einzelcoaching zur Videotelefonie für Personen mit Schwerhörigkeit an.
(ir) Die Familie über Skype virtuell zu Kaffee und Kuchen treffen, mit den Kolleginnen und Kollegen ein Feierabendbier über Google Hangouts trinken oder gemeinsam mit den Freundinnen via Zoom an einem Mal-Event teilnehmen: Microsoft Teams, Zoom und andere Anwendungen für Online-Besprechungen gehören seit vergangenem Jahr zum Alltag. Mit Videotelefonie die sozialen Kontakte während der Corona-Pandemie aufrechterhalten, das ist eine Entwicklung, die schwerhörige Menschen vor große Herausforderungen stellt.
Besonders für Menschen mit Schwerhörigkeit sind Webinare und Onlinekonferenzen eine Herausforderung. „Die große Hürde für die Schwerhörigen ist die psychosoziale Komponente”, erklärt Natascha Klenk. Die Sozialpädagogin berät in der Ingolstädter Servicestelle des Fachverbandes für Menschen mit Hör- und Sprachbehinderung e. V. (BLWG) Schwerhörige unter anderem zum Thema Videotelefonie. Viele Betroffene schlössen von vorneherein aus, so Klenk, die Videotelefonie zu nutzen, weil sie fürchteten, dass die Tonqualität nicht ausreiche, um etwas zu verstehen. „Da spielt die Angst, sich zu blamieren, eine große Rolle.”
Natascha Klenk zeigt während des Einzelcoachings „Einführung in die Videotelefonie” verschiedene technische Lösungen. Zudem gibt sie Tipps zur Kommunikationstaktik für Schwerhörige. Die Beratung dauert etwa 30 Minuten bis eine Stunde, aber auch im Nachgang berät Klenk die Betroffenen bei Fragen. Neben der Sozialpädagogin gehören zwei gut hörende sowie zwei schwerhörige Kolleginnen und ein gehörloser Kollege zu dem Beratungsteam der Informations- und Servicestellen Oberbayern.
Der BLWG berät Menschen mit Hörbehinderungen in allen Altersgruppen, Angehörige oder Mitarbeitende aus Behörden oder medizinischen Einrichtungen. Gefördert wird der Verein vom Bezirk Oberbayern und dem Bayerischen Sozialministerium. „Uns als Bezirk ist es wichtig, dass wir allen die Chance bieten, an Veranstaltungen, Diskussionen und Versammlungen teilzunehmen. Deswegen ist ein Verein wie der BLWG für ein barrierefreies Leben wichtig”, betont Bezirkstagspräsident Josef Mederer.
Seit November 2020 bietet Klenk das kostenlose Einzelcoaching an und räumt während der Beratung mit Ängsten und Vorurteilen auf. „Es geht im Einzelcoaching darum, dass man es in einem geschützten Rahmen ausprobieren kann”, erklärt Klenk. Dabei zeigt sie technische Lösungen auf. Unter anderem erklärt sie, wie man das Zubehör von Hörgeräten koppeln kann, Untertitel nutzt oder Apps zur Spracherkennung verwendet.
Ein zentraler Inhalt ist aber auch die Kommunikationstaktik. „Einen offenen Umgang mit der Schwerhörigkeit kann man lernen. Dieser schafft Transparenz und beugt Missverständnissen vor. So ist es wichtig dem Gesprächspartner genau zu benennen, was man in der Kommunikationssituation braucht, eine gute Beleuchtung oder die Vermeidung von Störgeräuschen”, betont die Sozialpädagogin.
Mit ihrer Beratung hat Klenk zu Weihnachten sogar einer Familie geholfen: „Ich hatte mit einer Betroffenen ein Coaching, die mit Technik nichts am Hut hat und auch nicht ihre Familie.” Nach der Beratung hat die Frau ihre Familie mit einem Weihnachts-Meeting über Zoom überrascht. Mit solchen positiven Beispielen möchte Natascha Klenk Betroffenen helfen. „Es ist immer noch ein Tabuthema, das mit viel Scham besetzt ist. Viele Leute wissen nicht über das Thema Bescheid. Die Schwerhörigen machen negative Erfahrungen und ziehen sich immer mehr zurück.”
Weitere Informationen:
Etwa 20 Prozent der Menschen in Deutschland haben eine Hörbehinderung. Oft tritt die Schwerhörigkeit erst im Laufe des Lebens auf – etwa mit zunehmendem Alter. Der BLWG – Fachverband für Menschen mit Hör- und Sprachbehinderung e.V. – unterstützt Menschen mit Hörbehinderungen im Alltag. Insgesamt hat der BLWG in Oberbayern vier Beratungsstellen für Menschen mit Hör- oder Sprachbehinderung.
Der Bezirk Oberbayern fördert den BLWG als Dienst der Offenen Behindertenarbeit (OBA). 2020 hat der BLWG insgesamt 2010 Beratungsgespräche geführt und 460 Personen mit Hörbehinderungen und Schwerhörigkeit über verschiedene Unterstützungsangebote informiert. Die Beratung zur Einführung in die Videotelefonie in Ingolstadt haben seit November 2020 etwa 13 Personen in Anspruch genommen.