Ingolstadt will nicht auf bundesweite Lösung warten


 
8-Punkte-Programm soll Pflegesituation verbessern. Erstes positives Resümee nach drei Monaten Arbeit des Expertengremiums.

(ir) Fehlende Fachkräfte, ein nicht ausreichendes Angebot an Kurzzeitpflegeplätzen und eine unzureichende Finanzierung durch die Pflegekassen. Es sind vielfältige Ursachen, die zu den Problemen im Bereich der Altenpflege führen – überall in Deutschland. Sie zu lösen ist Aufgabe der Sozialpolitik des Bundes.

„Auf diese bundesweite Lösung wollen wir nicht warten“, so Ingolstadts Oberbürgermeister Christian Lösel, der eine Verbesserung der Pflegesituation in Ingolstadt kurzerhand zur Chefsache gemacht hat. „Ein soziales Ingolstadt ist eines meiner obersten politischen Ziele, dazu gehört auch, dass die Probleme in der Altenpflege gelöst werden. Wir wollen für unsere Bürgerinnen und Bürger vor Ort tätig werden. Ich bin froh, dass auch der Stadtrat mehrheitlich hinter meiner Initiative steht.“

Als Sofortmaßnahme hatte die Stadt bereits im März fünf Kurzzeitpflegeplätze gefördert, die seitdem wieder zur Verfügung stehen. Ebenfalls im Frühjahr hat der Oberbürgermeister einen eigenen „Jour Fixe Pflege“ ins Leben gerufen, ein Expertengremium, in dem städtische Referenten, Vertreter des Klinikums und der Heilig-Geist-Stiftung in regelmäßigen Runden über weitere Maßnahmen beraten und Lösungen erarbeiten sollen.



Nach den ersten drei Monaten zieht der Oberbürgermeister ein positives Zwischenfazit: „Wir sind auf einem guten Weg, müssen uns aber noch gehörig anstrengen!“

Die bisherigen Maßnahmen fasst er in einem 8-Punkte-Plan zusammen:
1. Sofortmaßnahme: Schaffung von 5 Kurzzeitpflegeplätzen
2. Einrichtung Jour Fixe Pflege zur Erarbeitung weiterer Maßnahmen
3. Beauftragung einer Studie zur Pflegesituation in Ingolstadt – soll noch vor dem Sommer im Stadtrat vorgestellt und diskutiert werden
4. Sofortmaßnahme: Einschaltung von Personalagenturen zur unmittelbaren Gewinnung neuer Fachkräfte
5. Flüchtlinge für Ausbildung Pflegehelfer qualifizieren
6. Bereitstellung von Wohnraum, Prüfung zusätzlicher übertariflicher Leistungen zur Attraktivitätssteigerung von Standort und Beruf
7. Lobbyarbeit
8. Öffentlichkeitsarbeit zur Nachwuchskräftegewinnung

Dreh- und Angelpunkt der Pflegeproblematik ist der Mangel an Fachkräften. Deshalb liegt die besondere Aufmerksamkeit darauf, neues Personal zu gewinnen. Auch im Stadtrat wurden hierzu bereits mehrere Anträge gestellt. „Durch die Einschaltung von Personalvermittlungsagenturen konnten für das Heilig-Geist-Spital bereits drei neue Pflegekräfte gewonnen werden - aus dem Ausland, denn der deutsche Pflegekräftemarkt ist nahezu leer gefegt“, so Lösel. Weitere Kräfte stünden in Aussicht. Sind diese gefunden, wäre es möglich, bisher nicht belegte Pflegeplätze wieder zu reaktivieren und der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen.

Auch das Klinikum hat Anfang Juni eine Agentur beauftragt, um zunächst fünf zusätzliche Pflegekräfte im Ausland anzuwerben. Voraussetzungen dabei sind neben der fachlichen Qualifikation immer auch ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache.

Bereits seit vergangenem Jahr läuft ein Schulversuch am Berufsbildungszentrum Gesundheit am Klinikum. Hier werden in einer einjährigen Maßnahme 14 Flüchtlinge intensiv auf die anschließende Ausbildung zum Pflegefachhelfer vorbereitet. Bereits zum neuen Schuljahr im Herbst werden 23 weitere Personen in diesen Kurs starten. In dieser Ausbildung erwerben die Teilnehmer sprachliche Kenntnisse und zusätzliche Fähigkeiten, die für die Ausbildung im Pflegebereich benötigt werden.



Um den Standort Ingolstadt für Pflegekräfte generell attraktiver zu machen, soll Wohnraum für Auszubildende, aber auch für Berufstätige bereitgestellt werden. „Im Rahmen eines Sofortprogramms konnte bereits ein Kontingent von Appartements und möblierten Zimmern vereinbart werden, das in bestehenden Häusern kurzfristig bei Bedarf belegt werden kann. Konkret sind darüber hinaus verschiedene Bauprojekte in Prüfung, wie weitere Wohnangebote in der Nähe bestehender Pflegeeinrichtungen, auch auf dem Areal des Klinikums, geschaffen werden können“, berichtet der Oberbürgermeister.

Weitere Aktivitäten zur Gewinnung von Fachkräften sind in Arbeit: Gleichstellungsbeauftragte und Klinikum planen für Herbst Aktionen, um temporär ausgeschiedene Mitarbeiter wieder früher in den Beruf zurückzuholen, zum Beispiel Frauen, die nach der Kinderphase wieder arbeiten wollen.

Das Kulturreferat will die guten Kontakte in die Partnerstädte nutzen, um dort im Rahmen von Partnerschaften zwischen Krankenpflegeschulen für Praktika, Austausch und Arbeitsplätze in Ingolstadt zu werben.

Auch soll geprüft werden, wie zusätzlich zur tariflichen Vergütung freiwillige Leistungen die Attraktivität des Pflegeberufes erhöhen könnten. Die Stadt Ingolstadt will den neuen Arbeitnehmern im Pflegebereich ferner mit einem „Welcome-Package“, mit Gutscheinen für Museen, Bäder, öffentliche Einrichtungen einen zusätzlichen kleinen Anreiz schaffen.

Verstärkt wurde bereits die Öffentlichkeitsarbeit für die Ausbildung in den Pflegeberufen, auch in den kommenden Monaten will man gezielt junge Menschen in der Region über das breite Angebot in den Pflegeberufen informieren und für einen Einstieg begeistern.

Oberbürgermeister Lösel wird aber nicht müde darauf hinzuweisen, dass die grundlegenden Probleme an anderer Stelle gelöst werden müssen. „Durch Lobbyarbeit haben wir die Probleme auch überregional thematisiert und auf eine bundesweite Lösung gedrängt. Über die örtlichen Abgeordneten haben wir uns an die zuständigen Ministerien und Dienststellen in Bund und Land gewandt, haben Städtetag und Gremien sensibilisiert und um dringende Mithilfe gebeten“, so der Oberbürgermeister.