Heimweh, unterbrochene Lieferketten und verpfuschte Hochzeitsnächte.
(ir) Sie sind in reinem Weiß gehalten, erinnern mit ihren Blumenmustern an blühende Frühlingswiesen oder sind mit Musiknoten bedruckt. Wer die Kunst des Stickens beherrscht, peppt den einfarbigen Stoff auch mit flotten Sprüchen wie „Bleibt‘s gsund“ auf – rotes Herz inklusive.
Ende April startete das Deutsche Medizinhistorische Museum in Ingolstadt einen Sammlungsaufruf zu Schutzmasken. Die bislang eingegangenen Stücke zeigen die immense Kreativität ihrer Trägerinnen und Träger. In diesen Mund-Nasen-Schutzmasken steckt aber bedeutend mehr als nur etliche Stunden Handarbeit. Als Objekte geben sie der gegenwärtigen Corona-Krise eine konkrete Gestalt. Und sie machen den persönlichen Umgang mit Covid-19 und die Herausforderungen, die die staatlichen Regelungen zur Eindämmung der Pandemie jedem Einzelnen abverlangen, im wahrsten Sinne des Wortes greifbar. So offenbaren die Geschichten hinter den meist selbst genähten Mundschutzen die menschlichen Schicksale, die sich hinter Kontaktverboten oder Isolationspflicht verbergen.
Eine junge Frau, die erst seit Kurzem in Ingolstadt lebt, schreibt beispielsweise, dass die Masken sie an ihre Familie in Hamburg erinnern. Ihre Mutter hatte ihr die selbstgenähten Masken geschickt, weil sie sich aufgrund des Reiseverbots nicht mehr besuchen konnten. Manche Geschichten berichten aber auch von Existenzängsten um das eigene Unternehmen. Der schwäbische Unterwäscheproduzent Mey etwa schickte eine seiner hygienisch verpackten Masken. Der Familienbetrieb stellte nach der erzwungenen Schließung seiner Geschäfte und dem Wegbrechen der Absatzmärkte die Produktion kurzerhand um und konnte Dutzende Jobs retten. Dass der Zusammenbruch von Lieferketten nicht nur große Unternehmen trifft, erzählt die Masken-Geschichte einer anderen Frau. Sie schreibt, dass das Nähen von Mundschutzen für ihre Familie beinahe an den plötzlich nicht mehr erhältlichen Gummibändern zu scheitern drohte.
Schutzmasken sind also zum Symbol der Corona-Krise geworden. Mittlerweile herrscht in allen Bundesländern Maskenpflicht und man hat sich an die vermummten Gesichter im Bus, in den Einkaufsstraßen oder den Geschäften gewöhnt. Masken sind aber auch medizinische Objekte. Aus diesen Gründen konzentriert sich das Deutsche Medizinhistorische Museum beim Sammeln von „Corona-Dingen“ klar auf Mund-Nasen-Schutzmasken. Denn längst treibt Museen in aller Welt die Frage um, was in Zukunft von der Pandemie bleiben wird, und sie starten Sammlungsaufrufe. Meist sind es die Stadtmuseen, die um Beiträge bitten mit dem Ziel, eine kleine Auswahl der fotografierten Objekte in die Sammlung aufzunehmen. Das Deutsche Medizinhistorische Museum als spezifisch medizinhistorische Sammlung will mit seinem Fokus auf Schutzmasken neben den Objekten auch die persönlichen Geschichten zu diesem mittlerweile zum Alltagsobjekt gewordenen Stück Stoff sammeln.
Und so machen die oft nur wenigen Zeilen zu den Masken-Selfies Begriffe wie Kontaktverbot, Reisewarnung oder Social Distancing erst erfassbar. Wie sehr gerade Ältere darunter leiden, ihre Enkel nicht mehr persönlich sehen zu können, zeigt etwa die Geschichte zu einem Teddybären mit Schutzmaske. Um ihren Enkelinnen nahe zu sein, liest ihnen die Frau jeden Abend per Video-Chat eine Gute-Nacht-Geschichte vor. Der Teddybär sitzt dabei neben ihr und hört ebenfalls zu – sehr zur Aufmunterung der Kinder. Aber natürlich hat der Mensch als soziales Wesen auch in Krisenzeiten seinen Humor nicht verloren, wovon eine andere Masken-Geschichte berichtet. Aus Spitze gefertigt taugt sie zwar nicht als Mundschutz, wohl aber als Scherz zwischen Nachbarinnen. Diese legte nämlich die Spitzen-Maske anlässlich der Silbernen Hochzeit ihrer Nachbarin vor deren Wohnungstür. Sie sollte die Freundin daran erinnern, in der Hochzeitsnacht „immer auf den Abstand zu achten“.
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Möchten auch Sie eine persönliche Geschichte zu Ihrer Schutzmaske erzählen? Das Museum sammelt weiter. Bitte schicken Sie vorerst nur ein Selfie mit der Maske und die Geschichte dazu, aber noch nicht die Maske selbst. Die brauchen Sie ja noch. Die Experten wählen anhand der eingesandten Fotos interessante Schutzmasken für die Sammlung des Deutschen Medizinhistorischen Museums aus und melden sich zu einem späteren Zeitpunkt per E-Mail wieder bei Ihnen. Bitte geben Sie auch Postleitzahl und Wohnort an. Die Mailadresse lautet