Bei Herzinfarkt nicht zögern



Aus Angst vor dem Coronavirus meiden viele Patienten den Gang in die Klinik.

(ir) Bei einem Herzinfarkt zählt jede Minute – das ist mittlerweile bekannt. Und trotzdem warten viele Patienten zu lange, bis sie bei Beschwerden einen Arzt aufsuchen. Jetzt, in der aktuellen Corona-Situation zögern viele Betroffene noch mehr. Sie haben Angst, sich im Krankenhaus mit dem Virus anzustecken oder weil sie annehmen, die Notaufnahmen seien sowieso schon mit Corona-Infektionen ausgelastet. Diese falsche Rücksichtnahme kann tödliche Folgen haben. „Es ist fatal“, warnt Prof. Karlheinz Seidl, Direktor der Medizinischen Klinik I. Vor allem über das Osterwochenende seien auffällig viele Reanimationen – aufgrund eines zu spät erkannten Herzinfarktes – in die Notaufnahme gekommen.



Doch bei welchen Anzeichen sollten die Alarmglocken läuten? „Neben einem starken Ziehen oder Stechen in der Brust, verbunden mit einem Engegefühl, leiden viele Betroffene auch an Atemnot“, erklärt Prof. Seidl. Ist ein Herzkranzgefäß verschlossen und wird dadurch der Herzmuskel nicht mehr mit Sauerstoff im Blut versorgt, droht akute Lebensgefahr. Je früher das Gefäß wieder geöffnet wird, desto mehr Herzmuskel und damit Lebensqualität kann gerettet werden. „Nach 90 Minuten stirbt der Herzmuskel ab“, so Prof. Seidl.



Die Corona-Pandemie bringt nun einen erschreckenden Nebeneffekt mit sich: „Die Zahl der Herzinfarkt-Patienten ist gesunken“, sagt Prof. Seidl. Was auf den ersten Blick erfreulich klingt, sei aber tatsächlich besorgniserregend. Seine Befürchtung ist, dass viele Menschen mit einem Herzinfarkt länger zögern, bis sie ins Krankenhaus gehen. „Aus Angst, sich anzustecken oder um die Notaufnahme nicht zusätzlich zu belasten“, so Seidl. „Viele warten, bis es nicht mehr geht, anstatt auf die ersten Anzeichen zu reagieren.“ Dafür spreche auch, dass es zwar weniger Herzinfarkt-Patienten gebe, dafür aber mit schwereren Verläufen. „Kommen Herzinfarkt-Patienten zu spät in die Klinik, drohen bleibende Schäden bis hin zum Tod.“



Dabei ist die Angst vor Ansteckung unbegründet: „Wir haben in der Notaufnahme Parallelstrukturen aufgebaut – einen Bereich für Covid-19-Patienten und einen Bereich für andere Notfälle“, sagt Stephan Steger, der derzeit die Notaufnahme des Klinikums Ingolstadt in Stellvertretung für Dr. Florian Demetz leitet. Prof. Seidl ergänzt: „Momentan stehen uns genügend Ressourcen zur Verfügung, um neben Corona-Patienten auch alle anderen Notfälle nach wie vor vollumfänglich zu behandeln. Und wir arbeiten stetig daran, dass dies auch weiterhin so bleibt.“ Wichtig sei, dass Patienten bei thorakalem Druck schnell eine Klinik – am besten über die Chest-Pain-Unit, aufsuchen, um einen Infarkt frühzeitig zu erkennen oder auch auszuschließen. „Wir sind trotz Krise rund um die Uhr für all unsere Patienten da.“