Krankenkassen sind Treuhänder der Daten ihrer Versicherten



Krankenkassen müssen eine wichtige Rolle in einer Datenstrategie für das Gesundheitswesen spielen.

(ir) Der Informationsaustausch im deutschen Gesundheitswesen stockt an vielen Stellen. Dies hat einmal mehr auch die Corona-Pandemie gezeigt. Konnten wir doch in den zurückliegenden Monaten viel zu oft über Medienberichte nur den Kopf schütteln, nach denen faxende Gesundheitsämter Daten immer wieder zu spät gemeldet haben oder Maskengutscheine für Ältere aufgrund mangelhafter Daten auch Kleinkinder oder längst Verstorbene erreichten.



Doch das Problem des viel zu langsamen Daten- und Informationsflusses zwischen den Akteuren des Gesundheitswesens besteht schon weitaus länger als die Corona-Pandemie. Dabei ist der schnelle Austausch von Daten über digitale Wege eine zentrale Säule, um gute, am Patientenwohl orientierte Versorgung zu gewährleisten. Denn durch das Sammeln, Zusammenführen und Analysieren von Daten können wir das Gesundheitswesen verbessern.



Wir können auf einer übergeordneten Ebene Versorgungsprobleme und -lücken erkennen und gegensteuern. Wir können auf individueller Ebene Versicherte und Patient*innen zielgerichteter beraten und behandeln. Beides dient dem Zweck der besseren und nachhaltigeren Versorgung. Wir können Forschung vorantreiben, um Krankheiten zukünftig besser zu behandeln oder ganz zu verhindern. Und nicht zuletzt bilden verlässliche Daten die Grundlage für eine ziel- und zukunftsgerichtete Gesundheitspolitik.



Bisher fehlt der große Wurf einer umfassenden nationalen Digitalisierungs- und Datenstrategie, die nicht zuletzt auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen in seinem aktuellen Gutachten gefordert hat. Die SBK teilt diese Forderung und sieht gleichzeitig die Krankenkassen als Vertreter der Gemeinschaft der 73 Millionen gesetzlich Versicherten in der Verantwortung, die Debatte zur Entstehung dieser Strategie mitzuprägen und darin Impulse zu setzen. Ihre Rolle muss es sein, darauf hinzuwirken, die Interessen der Versicherten in den Mittelpunkt der Strategie zu stellen.



Darüber hinaus können die Krankenkassen in dieser Strategie selbst eine gewichtige Rolle spielen. Als Treuhänder der Daten der Versicherten können sie die Funktion einer zentralen Stelle übernehmen, die die Gesundheitsdaten der Versicherten in deren Sinne verwahrt und verwaltet. Sie bieten sich als eine solche Stelle an, sitzen sie doch qua Ihres gesetzlichen Auftrags im Sozialgesetzbuch an der Schnittstelle, an der die Daten über die Versorgungssituation der Versicherten zusammenkommen.



Hinzu kommt, dass Krankenkassen keine Gewinnabsichten haben und laut ihrer Verfassung nur den Interessen der Versichertengemeinschaft verpflichtet sind. Auf dieser Basis garantieren sie einen verlässlichen, reglementierten und hohen Datenschutz der Versichertendaten. Nicht zuletzt sind die Krankenkassen Betreiber der elektronischen Patientenakte (ePA), die in einer zu erarbeitenden Datenstrategie eine wichtige Bedeutung haben wird.



Damit Krankenkassen diese Rolle als zentrale Stelle zur Datenverwahrung im Sinne ihrer Versicherten ausfüllen können, muss der Informationsfluss von den Leistungserbringern an die Krankenkassen deutlich beschleunigt werden. Innerhalb der Telematikinfrastruktur bietet sich das Kommunikationssystem KIM (Kommunikation im Medizinwesen) an, das eine schnelle Übermittlung von Daten aus den Arztpraxen an die Krankenkassen ermöglicht. Ein digitaler Prozess zur Übermittlung der Daten der elektronischen AU-Bescheinigung über das KIM-System ist ab September 2021 verbindlich vorgesehen. Derselbe Prozess wäre auch für die Übertragung von Diagnosedaten nutzbar.



Die Krankenkassen als Treuhänder der Gesundheitsdaten ihrer Versicherten sollten in einer nationalen Datenstrategie der Ausgangspunkt sein, an dem gesundheitsbezogene Daten gesammelt und ausgehend vom Wunsch der Versicherten verwaltet und nutzbar gemacht werden. Sie sind somit das Fundament, auf der die weiteren Entwicklungen wachsen können.



Eine dieser weiteren Entwicklungen ist der gemeinsame europäische Datenraum für Gesundheitsdaten, der eine Priorität der Europäischen Union darstellt. Auch für dieses Projekt können die Krankenkassen die zentralen Anlaufstellen sein, die den Datenaustausch gemäß den Wünschen der Versicherten sicherstellen. Eine solche Rolle ist auch im aktuellen Entwurf des Data Governance Act des Europäischen Parlaments unter dem Schlagwort des neutralen Datenmittlers vorgesehen. Einheitliche europäische Standards, die für das Funktionieren des europaweiten Datenraums die Basis sind, können die Krankenkassen – das haben sie in der Vergangenheit nicht zuletzt bei der Bereitstellung der ePa bewiesen – verlässlich implementieren.



Neben technischen Standards verlangt der europäische Datenraum auch nach gemeinsamen Regeln und einem europaweit einheitlichen Ethikverständnis, wie mit gesundheitsbezogenen Daten umzugehen ist. Die SBK setzt sich in diesem Zusammenhang besonders für einen aus meiner Sicht fundamentalen Grundsatz ein: Die Ergebnisse aus der Nutzung der von den Europäern zur Verfügung gestellten Daten müssen zu deren Wohl eingesetzt werden. Hierzu braucht es klare Regeln, die diesen Grundsatz gewährleisten und einen im Sinne der Menschen gestalteten Ausgleich zwischen den Interessen der Industrie und der Allgemeinheit finden.



Diese und viele weitere drängende Fragen müssen auf dem Weg hin zu einem digital vernetzten und „dynamisch lernenden“ Gesundheitswesen geklärt werden. Es ist Zeit, diese Themen nun im Sinne der Menschen anzugehen. Wir sind bereit, dabei Teil der Lösung zu werden.

Quelle: Ungekürzte Pressemitteilung der Siemens-Betriebskrankenkasse