Dendrochronologie – Zeitmessung mit Baumringen


 
Derzeit ist am Alten Messpegelhaus wieder eine kleine Ausstellung zu besichtigen. 

(ir) Die aktuelle Ausstellung im Alten Messpegelhaus von Ingolstadt beschäftigt sich mit der Stadt Ingolstadt und ihrem Umland aus sehr ungewöhnlicher Warte: aus Sicht der Dendrochronologie. Die Zeitmessung mit Jahrringen macht jeden Baum zu einem kleinen „Geschichtsbuch“. Die Ausstellung endet am Sonntag, 18. November 2018. Das Alte Messpegelhaus liegt am südlichen Donauufer auf Höhe des Luitpoldparks in der Ingolstädter Luitpoldstraße.

2008 wurde die Entwicklung der Flusslandschaft der Donau durch Uwe Arauner, Ingolstädter Kommunalbetriebe, rekonstruiert und in einer Karte dargestellt. Grundlagen waren vor allem Geologie und Hydrologie. So stellt die Karte dar, was alles einmal zu dem Flusssystem Donau südlich von Ingolstadt dazu gehört hat und zumindest noch in Resten vorhanden ist. Die Karte zeigt allerdings nicht, wann welcher Flussarm aktiv, vom Hauptstrom abgeschnitten oder schon verlandet war.

Hier hilft die Dendrochronologie, der gerade im Alten Messpegelhaus nahe der Glacisbrücke eine kleine Ausstellung gewidmet ist.



Wie der Name sagt, benötigt man für diese Methode Holz – das Holz der Bäume, die einst im Auwald der Donau standen. Die Hochwasser der Donau haben die Auenlandschaft immer wieder verändert und seit der Bronzezeit durch Aufschotterungen Terrassen geschaffen. In diese Terrassenschotter sind entwurzelte Bäume eingebettet worden und so über Jahrhunderte, ja Jahrtausende erhalten geblieben. Mithilfe solcher Baumfunde lassen sie die Auenterrassen zeitlich einordnen.

Die Dendrochronologie nutzt die Tatsache, dass Bäume nicht kontinuierlich, sondern in Phasen wachsen. Im Querschnitt der Stämme erkennt man diese Phasen als „Jahresringe“. Das typische Muster der Ringe, an dem sich Klimaschwankungen ablesen lassen, ermöglicht den Vergleich mit anderen Bäumen. So lassen sich langfristige Baum- bzw. Jahresringkalender erstellen. Sie ermöglichen die zeitliche Einordnung mittelalterlicher Dachstühle, römischer Schiffe, keltischer Brunnen und selbst steinzeitlicher Pfahlbauten, manchmal sogar auf das Jahr genau.

Für eine etwa 250 Jahre alte Eiche aus den Donauauen, die im Alten Messpegelhaus zu sehen ist, wurde ein Absterbedatum um das Jahr 1675 vor Christus ermittelt, also in der Bronzezeit. In Griechenland entwickelte sich zu dieser Zeit die Mykenische Kultur. Auf den hochwassersicheren Terrassen des Ingolstädter Donautals existierten damals kleine ländliche Ansiedlungen. 80 nach Christua entstand in Kösching das erste römische Kastell nördlich der Donau. Neben einer Inschrift belegen das auch die Pfosten mächtiger Militärgebäude, die dendrochronologisch untersucht werden konnten.



Regelrechte Stadtgeschichtsforschung auf der Basis der Dendrochronologie ist am Nordufer der Donau auf dem Gießereigelände möglich. Die dortigen, ehemaligen Festungs- und Fabrikbauwerke standen ja bekanntlich wegen des wenig tragfähigen Untergrundes auf Holzpfosten. Etwa tausend Hölzer von diesem Gelände sind bereits von Franz Herzig vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege untersucht. Sie geben schon jetzt einen Überblick über die Nutzung und Herkunft des zentralen Baumaterials und Energieträges Holz seit dem Mittelalter. Zunächst kam es aus den Donauauen und der Region, später zunehmend von weit her, bis aus den Hochalpen.

Im Alten Messpegelhaus sind zudem Bohrkerne aus dem Dachstuhl der Hohen Schule ausgestellt.

So ist jeder Baum aus dem Boden der Donauauen wie eine Seite eines Geschichtsbuches, das leider nur selten gelesen wird. Denn meist werden die alten Bäume, wenn sie beim Hausbau gefunden werden, achtlos beiseitegelegt.