Diskussion zum Türkei-Putsch


(ir) Zu einer Diskussion über das Thema „Die Türkei nach dem gescheiterten Putsch“ hatte die Linkspartei ins Gewerkschaftshaus eingeladen.

Auf dem Podium saßen die freie Journalistin Veronika Hartmann, die seit vielen Jahren aus Istanbul berichtet, Gudrun Rihl, ehemalige Stadträtin und Mitglied der Stadtgruppe von Amnesty International in Ingolstadt, Erkan Dinar, Stadtrat der Linken in Weißenburg und Vorstandsmitglied des Kurdisch-Deutschen Freundschaftsvereins „Erve“ sowie Jean-Pol Martin, Didaktikprofessor aus Eichstätt, der sich für ehrenamtliche Integrationsprojekte einsetzt. Moderiert wurde der Abend von Francesco Garita vom Ingolstädter Kreisverband der Linken. Ebenfalls anwesend war Eva Bulling-Schröter, Abgeordnete der Linken im Bundestag. Rund 70 Interessierte folgten den Vorträgen.

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Die vier Redner haben durch ihre unterschiedlichen Blickwinkel ein sehr detailliertes Bild auf die Türkei werfen können. Die Journalistin Veronika Hartmann hat in ihren Ausführungen nicht nur die derzeitige Situation in der Türkei beschrieben, sondern auch einen schlüssigen Abriss über die Entwicklungen vor dem Putsch geliefert, der auch anschaulich machte, wie sich die Politik der Türkei hinsichtlich der Rechte von Minderheiten und der Demokratisierungsprozess zu Beginn der Regierung Erdogan anfangs verbesserte. An der Spitze der Macht angekommen, scheint die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) jedoch die Machtinstrumente dafür zu nutzen, Gegner und Konkurrenten auszuschalten. Außerdem versuchte Hartmann zu erklären, wer die Gülen-Bewegung, die in der Türkei für den Putschversuch verantwortlich gemacht wird, ist.

Gudrun Rihl von Amnesty International konnte beunruhigende Fakten zur Situation der Menschenrechte in der Türkei beisteuern. Ihrem Vortrag war zu entnehmen, dass bereits vor dem verhinderten Putsch schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen zu verzeichnen waren, insbesondere seit der Verschärfung der von der Europäischen Union kritisierten Antiterrorgesetze im Jahr 2013. Seit dem 15. Juli liegt allerdings eine „neue Dimension der Menschenrechtsverletzungen vor“, so Rihl. Sie legte dem Publikum außerdem ans Herz, zwei Petitionen zu unterstützen: Zum einen den Aufruf die Ermittlungen des vor einem Jahr von Scharfschützen erschossenen Menschenrechtsanwalts Tahir Elcin mit Entschlossenheit voranzutreiben und zum anderen zugunsten der Menschenrechtsanwältin Eren Keskin, der aufgrund ihres unermüdlichen Engagements mehrere Jahre Haft drohen.

Einen besonderen Fokus auf die Kurdenfrage und die Kontinuität im Umgang mit Opposition konnte Erkan Dinar vom Landesverband der Linken beisteuern. Er erinnerte an das Leitmotiv „ein Land, eine Sprache, eine Fahne“, dass die Türkei seit der Gründungszeit der Republik begleitet und eine pluralistische Entwicklung unmöglich macht. Zwar waren insbesondere in den kurdischen Gebieten Menschenrechtsverletzungen stets Alltag, so Dinar. Neu ist, dass diese jetzt auf die gesamte Türkei ausgeweitet werden. Er betonte, die wichtige Rolle der Demokratischen Partei der Völker (HDP), die nicht nur für die Rechte der Kurden eintritt, sondern – auch unterstützt von der Linken – eine Heimat für Alle Menschen bietet, die für freiheitlich demokratische Werte einstehen.

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Mit dem Vortrag von Jean-Pol Martin verlagerte sich der Abend vom Bosporus an die Donau. Der Migrationsexperte schilderte seine Erfahrungen mit Türken in Deutschland und wie der versuchte Militärputsch deren Gefühlswelt beeinflusste. Er warnte, dass das „Erdogan-Bashing“ und Kritik am türkischen Präsidenten die Gefühle der Menschen verletzen, die noch immer eng verwurzelt mit der Heimat ihrer Vorfahren sind. Die negative Berichterstattung würde diese Menschen von der deutschen Gesellschaft abspalten. In der Integrationsarbeit müsse versucht werden, Religion und Politik auszuklammern. Stattdessen müsse man sich auf die Elemente konzentrieren, die verbindend wirken, so Martin.

Die Fragen aus dem Publikum, darunter auch von Eva Bulling-Schröter, beschäftigten sich schwerpunktmäßig mit Deutschlands Rolle und Aufgaben, nicht nur in Bezug auf die Integrationspolitik, sondern insbesondere auch auf die Außenpolitik.

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