Der Darm von Baby Carla wurde im Ingolstädter Klinikum erfolgreich operiert.
(ir) In den allermeisten Fällen ist eine Schwangerschaft ein schönes Erlebnis: die werdenden Eltern freuen sich auf ihr Kind – wenn es die erste Schwangerschaft ist, dann kommt sicher auch ein bisschen Nervosität und Spannung dazu. So war es auch bei Carolin und Johann Wagner (Namen von der Redaktion geändert) aus Ingolstadt: die Freude war groß, die beiden jungen Leute waren voller Vorfreude auf ihr neues Leben als Eltern.
Doch dann kam die Nachricht, mit der sie nicht gerechnet hatten: bei einer Vorsorgeuntersuchung erkannte der Gynäkologe von Carolin Wagner eine Auffälligkeit auf dem Monitor des Ultraschallgerätes. Genau definieren ließ sich das, was auf dem Bildschirm zu sehen war, zu diesem Zeitpunkt in der 29. Woche der Schwangerschaft noch nicht. „Sicher ist sicher“, darin waren sich der Frauenarzt und das Ehepaar Wagner aber einig und so wurde ein Termin angesetzt in der Praxis eines Spezialisten für Pränataldiagnostik in Ingolstadt. Hier kristallisierte sich eine Diagnose heraus: das ungeborene Kind litt an einer Störung der Durchgängigkeit des Zwölffingerdarms, in der Fachsprache „Duodenalatresie“ genannt.
Für das Kind kann dadurch eine große Gefahr bestehen, denn: „Was bei der Nahrungsaufnahme oben reinkommt, das muss auch unten wieder raus.“ So bringt es der Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendchirurgie am Klinikum Ingolstadt, Dr. Micha Bahr, auf den Punkt. Er war der Arzt, an den sich die werdenden Eltern wandten, als sie Klarheit hatten, was ihrem ungeborenen Kind fehlt. Fest stand: das Baby muss nach der Geburt operiert werden, um den Darm wieder durchgängig zu machen. Diese Operation ist sehr anspruchsvoll, sie verlangt genaue Planung und Vorbereitung und sie braucht ein Team, das viel Erfahrung hat. „Wir haben natürlich recherchiert, im Internet und in vielen Gesprächen, aber wir haben uns dann relativ schnell für das Klinikum Ingolstadt und für Dr. Bahr entschieden – vor allem deshalb, weil wir uns hier sehr gut aufgehoben gefühlt haben“, sagt Carolin Wagner.
Die Duodenalatresie ist eine angeborene Entwicklungsstörung, bei der der Hohlraum des Zwölffingerdarmes nicht durchgängig ist. „Diese Undurchlässigkeit ergibt sich oft aus dem Fehlen eines Darmanteiles. Manchmal ist aber auch eine Membran im Zwölffingerdarm übriggeblieben, die den Darminhalt gar nicht oder nur teilweise passieren lässt“, erläutert der Kinder- und Jugendchirurg. Die fehlende Durchgängigkeit bewirkt, dass sich der Magen und der Darmanteil vor der undurchgängigen Stelle stark aufweiten und der übrige Darm klein bleibt, da das geschluckte Fruchtwasser diesen Darmanteil nicht erreicht. Bei Ultraschalluntersuchungen vor der Geburt lässt sich eine Duodenalatresie durch das sogenannte „Double-Bubble-Phänomen“ feststellen: der Magen des ungeborenen Kindes ist mit Flüssigkeit gefüllt und bildet die erste Blase und auch der Zwölffingerdarm weist Flüssigkeit auf, hier bildet sich die zweite Blase. Nebeneinanderliegend zeigt sich aufgrund dessen im Ultraschall das Bild einer Doppel-Blase, eben die „Double-Bubble“. Doch die Diagnose muss genau sein, denn die unterschiedlichen Ursachen der Duodenalatresie verlangen nach unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten – fest steht eigentlich nur eine Entscheidung: „Es muss operiert werden“, so Dr. Bahr. Er gab sich deshalb auch nicht mit dem Ultraschall zufrieden, es wurden Röntgenbilder gemacht, dann stand fest: es handelte sich um eine Membran als Ursache für die Undurchlässigkeit des Darms.
Fast punktgenau zum errechneten Termin im September kam Carla auf die Welt. Man sah ihr erst einmal gar nicht an, dass sie von einem Problem betroffen war, das laut Statistik nur eines von rund 7.500 in Deutschland geborenen Kindern betrifft. Doch zwei Tage nach der Geburt lag Carla auf dem Operationstisch, für die Eltern natürlich eine bedrückende Situation: „Wir waren sehr nervös, ich denke, das ist verständlich“, sagt Papa Johann Wagner, und auch seine Frau gesteht unumwunden ein: „Natürlich macht man sich große Sorgen, wenn das eigene Kind schon im Operationssaal liegt, wo es doch gerade erst auf die Welt gekommen ist. Da geht es wohl allen Eltern gleich“, erinnert sie sich. Aber sie sagt auch: „Wir haben großes Vertrauen gehabt in das Klinikum und das Team der Abteilung; vor allem in Dr. Bahr, weil er wirklich jede Frage beantwortet und uns viele Sorgen genommen hat“.
Tatsächlich ist alles gut gegangen: Dr. Micha Bahr stellte die Durchlässigkeit des Zwölffingerdarms wieder her und das einzige, was Carla und ihre Eltern vielleicht in den ersten Lebensjahren noch optisch an diese Operation erinnern wird, ist eine kleine Narbe, die von dem nur vier Zentimeter breiten Schnitt in der Bauchdecke bleiben wird. „Aber auch das verwächst sich bei Kindern immer ganz gut, später einmal wird man die Narbe nur noch kaum oder gar nicht mehr sehen“, erklärt der Mediziner bei der Nachuntersuchung seiner kleinen Patientin. Das Krankenhaus hatte Clara übrigens schon nach nur einer Woche verlassen können, angesichts einer für diese Altersklasse doch recht großen Operation eine durchaus bemerkenswerte Tatsache.
Wie es mit dem Appetit von Carla aussieht, möchte er von den Eltern wissen, ob sie Nahrung auch gut bei sich behält, wie es mit der Gewichtszunahme aussieht – fast könnte man meinen, man sei in der ganz normalen Sprechstunde eines Kinderarztes. Carla liegt in ihrem Maxi-Cosy, sie verschläft den größten Teil der Untersuchung, sogar, als der Arzt einen Blick auf die OP-Narbe wirft, scheint sie das nicht sonderlich zu interessieren. „Wir können zufrieden sein, alles passt“, sagt Dr. Bahr am Ende der Untersuchung und mit dem „wir“ meint er nicht nur Carla und ihre Eltern, sondern auch sich selbst: „Für jeden Arzt und jede Ärztin ist es das wichtigste Ziel, dass eine Behandlung erfolgreich ist. Aber für Ärzte und Ärztinnen, die sich mit Kindern beschäftigen, gilt das noch viel mehr, weil es eine große Verantwortung ist, wenn uns Eltern ihr Kind, also ihr Liebstes anvertrauen“. Wenn man dann nach einer anspruchsvollen Operation den Eltern mitteilen kann: „Alles hat geklappt“ – dann sei das für ihn und sein Team ein „echter Grund zur Freude. Dann wissen wir, warum wir in unserer Arbeit alles geben“.