Bei der Überplanung des sogenannten Ingobräu-Geländes in der nördlichen
Altstadt gelang es, im Zuge bauvorgreifender archäologischer Sicherungsmaßnahmen
von 2012 bis 2014 – in mehreren Bauabschnitten und mit zeitlichen
Unterbrechungen – einen räumlich ausgedehnten Einblick in die Stadtgeschichte zu
werfen.
Trotz der modernen Nutzung des Geländes hatten sich zahlreiche
Bodendenkmäler aus unterschiedlicher Epochen der Stadtgeschichte in situ
erhalten, dabei reichte die erhaltene Stratigraphie zum Teil mehrere Meter unter
die moderne Oberfläche.
Nach den Ergebnissen können die Stadtmodelle von
Jakob Sandtner (1571, 1572/73) nur als Momentaufnahmen interpretiert werden, die
keineswegs geeignet sind, die Stadtgeschichte in früherer Zeit umfassend
darzustellen. So ist im ausgehenden Mittelalter entlang der heutigen
Adolf-Kolping-Straße eine dichte Bebauung mit hölzernen Fachwerkhäusern und
handwerklicher Ausrichtung nachweisbar. Die im Sandtnermodell dargestellte
Auflockerung setzte erst in der Renaissance ein, aber verblieb bis ins 19.
Jahrhundert. Die Straße – und die daran angrenzende Bebauung – verlief etwa 7,5
Meter südlich versetzt der heutigen Adolf-Kolping Straße.
Auf der Fläche
konnte z.B. der bereits im Sandtnermodell dargestellte sogenannte
Sommerbauernhof (ab 1390) erfasst werden. Dieser Stadtbauernhof war mit allen
Details der inneren Struktur des Erdgeschosses, vielen Umbauten und
Erweiterungen untertägig noch bis zu einer Höhe von 1,50 Metern erhalten. An der
Adolf-Kolping-Straße fanden sich in der Hofzufahrt mehrere, einander
überlagernde Hofpflaster etc. Entsprechend der Datierung der untersten
Planierungen begann die Entwicklung des Hofes im späten 15. Jahrhundert. Vor
allem handwerkliche Belege unterschiedlichster Form geben Einblick in die
Wirtschaftsweise des Stadtbauernhofes. Zu nennen sind Metall verarbeitende
Betriebe, Eisen- und Buntmetallverarbeitung, wobei auch Spuren von
Edelmetallabfällen entdeckt wurden. So fanden sich z.B. in Aufplanierungen des
Sommerbauerhofs große Mengen von Schmiedeschlacken, die seit der Zeit um 1500
eine Schmiede annehmen lassen.
Die Geschichte dieses „Ackerbürger-Hofs“
umspannt nahezu die gesamte Stadtentwicklung Ingolstadts, von einem außerhalb
der Kernstadt liegenden, herzoglichen Lehen, über die Einbindung in die frühe
Landesfestung, bis hin zur Garnisonsstadt des Königreichs Bayern.
Die
Auswertung der umfangreichen Grabung wird Zeit in Anspruch nehmen. Das
zahlreiche Fundgut, darunter qualitätsvolle keramische Produktion, lässt
Fernkontakte nachvollziehbar werden. Nachdem die Firma Conterra die Funde der
Stadt Ingolstadt zur Verfügung stellt, haben das Stadtmuseum und der Historische
Verein Ingolstadt vor über einem Jahr mit der Bearbeitung begonnen. Es handelt
sich um das bislang umfangreichste Unternehmen zur Aufarbeitung von
Grabungsfundgut, das Museum und Verein gemeinsam bewältigen wollen. Als
besonders aussagekräftige, aber auch ästhetisch ansprechende Fundgattung wurden
die Ofenkacheln bei der Bearbeitung vorgezogen. Da die Öfen gerade im 16. bis
18. Jahrhundert das repräsentativste Ausstattungsstück in den guten Stuben
waren, geben sie in besonderer Weise Auskunft über die Lebensverhältnisse in
einem Anwesen, in diesem Fall wohl im Sommerhof.
Allein die Masse der
Ofenkacheln macht den Fundkomplex vom Ingobräu-Gelände zu einem der Wichtigsten
in Südbayern. Es beginnt mit glasierten, spätgotischen Stücken aus der Zeit um
1500 über Teile mehrerer, sehr repräsentativer Öfen mit figürlichem Dekor der
Renaissance- und Barockzeit bis hin zu einem für die Ingolstädter Altstadt
bislang einmaligen spätbarocken Überschlagofen, der mit seinen weichen,
asymmetrischen, stark plastisch ausmodellierte Dekoren die Qualität der
Raumausstattung, aber auch die Kunstfertigkeit der Ingolstädter Ofenbauer
veranschaulicht.