Händedesinfektionsmittel − in Zeiten von Corona absolute Mangelware.
(ir) Immer wieder hörte man von Lieferengpässen, die Preise schnellten in kürzester Zeit nach oben. Im Klinikum Ingolstadt jedoch waren und sind die Desinfektionsspender stets gut gefüllt, und das, obwohl sich der Verbrauch an Handdesinfektionsmittel vervielfacht hat. „2019 lag der Verbrauch bei rund 15.000 Flaschen, in diesem sind wir bereits bei 25.000 Flaschen − nur im ersten halben Jahr“, sagt Peter Linhardt, der Leiter der klinikumseigenen Apotheke.
Doch wie ist eine derartige Mengensteigerung stemmbar, wenn im ganzen Land eine Knappheit an Händedesinfektionsmittel herrscht? Antwort: Indem sich Einkauf, Apotheke, Reinigung, Zentralsterilisation und Fertigvorrat zusammentun und ihre eigene Desinfektionsmittelherstellung auf die Beine stellen – ein Kraftakt, der sich aber gelohnt hat.
„Man muss wissen, dass die Lieferengpässe vor allem die Flaschen betreffen, denn die gängigen Halbliterflaschen waren und sind immer noch – im Gegensatz zu den großen 1.000-Liter-Gebinden – eingeschränkt zu bekommen“, erklärt Linhardt. Also ist man im Klinikum auf Flaschensuche gegangen. Zunächst einmal im Haus selbst: „Das Reinigungspersonal hat uns hier enorm geholfen und alle leeren Desinfektionsmittelflaschen fleißig gesammelt“, so der Apotheker.
Normalerweise gibt es für diese Flaschen keine Verwendung mehr, doch seit es Lieferengpässe gibt, sind sie zu kostbar, um sie einfach zu entsorgen. Deshalb wurden die gebrauchten Flaschen mit einem speziellen Verfahren in der Zentralsterilisation wiederaufbereitet. „Es ist ein zusätzlicher Aufwand“, sagt Linhardt, „doch am Ende hatten wir wieder einsatzbereite, sterile Flaschen.“
Gleichzeitig wurde der Einkauf tätig: Die Abteilung fand mit Hilfe der Apotheke eine Firma, die hygienisch einwandfreie Leerflaschen in der richtigen Größe und Form herstellt und hat sofort rund 20.000 davon bestellt. „Eine ganze Lkw-Ladung war das und damit auch eine logistische Herausforderung“, erinnert sich Linhardt − 60 riesige blaue Säcke à 380 Flaschen. Doch der Bedarf ist da – schließlich werden nicht nur auf den Stationen Hände desinfiziert, sondern auch an sämtlichen Ein- und Ausgängen.
Jeder Mitarbeiter, der kommt oder geht, desinfiziert seine Hände, sogar vor Eintritt in die Kantine besteht Desinfektionspflicht. Hinzu kommen täglich zahlreiche Besucher, die die Mittel nutzen und natürlich auch die Patienten, die sich im Klinikum aufhalten. Desinfektionsspender gibt es im Klinikum beinahe an jeder Ecke, nicht erst seit Corona – und leer sollte im besten Fall keiner je sein.
Ende März haben Peter Linhardt und sein Team dann angefangen, die großen 1000-Liter-Gebinde mit fertigem Desinfektionsmittel in die Halbliterflaschen abzufüllen. Was zunächst einmal unspektakulär klingt, ist doch etwas Besonderes − nur wenige Krankenhäuser erfüllen die erforderlichen Voraussetzungen dafür. Das fängt schon bei der Lagerung der großen Kanister an: Diese müssen in einem explosionssicheren Raum untergebracht sein.
Dass ein Krankenhaus einen solchen besitzt, ist jedoch keine Selbstverständlichkeit. Da Desinfektionsmittel zu den Arzneimitteln zählen, unterliegt auch der Prozess des Abfüllens strengen Richtlinien. Genauso steril wie die verwendete Flasche, muss auch die Abfüllung ablaufen. Auch den dafür nötigen Herstellungsraum kann ebenfalls nicht jedes Krankenhaus bieten.
Zeitgleich zur Abfüllung des bereits fertigen Desinfektionsmittels hat das Team in der Apotheke damit begonnen, ein eigenes Mittel herzustellen. „Das Gesundheitsministerium hat uns 2000 Liter Ethanol kostenlos bereitgestellt, das wir nach dem Rezept der Weltgesundheitsorganisation zu Desinfektionsmittel weiterverarbeiten“, sagt Linhardt. „Das ergibt knapp über 4.000 weitere Flaschen Desinfektionsmittel.“ Rund 3000 davon seien bereits fertig und abgefüllt.
Insgesamt haben Linhardt und sein Team seit Ende März über 10.000 Flaschen Desinfektionsmittel abgefüllt. Viele davon werden im Klinikum eingesetzt, aber auch andere Krankenhäuser in der Region, denen es an den Möglichkeiten zur Eigenproduktion fehlt, werden versorgt. „Sein Desinfektionsmittel selbst abzufüllen und herzustellen, ist ein nicht zu verachtender Mehraufwand“, sagt Linhardt. Aufwand, der nur deshalb zu bewältigen war, weil alle Abteilungen so gut zusammengearbeitet hätten.
„Ich bin sehr stolz, dass wir das geschafft haben. Eine Abteilung alleine hätte dieses Projekt vermutlich nicht stemmen können, aber alle gemeinsam haben wir es geschafft.“ Wie lange das Klinikum seine Desinfektionsmittelproduktion weiterführt, kann Linhardt nicht sagen. „Das hängt davon ab, wie sich die Situation und der Markt weiterentwickeln und wie lange die Lieferengpässe noch bestehen. Aber ich vermute, dass wir auch die 20.000ste Flasche noch vollmachen.“