Tierschutzverein kündigt der Stadt


(ir) Doch für die Tiere soll sich nichts ändern. Der Verein lässt die hilflosen Geschöpfte nicht im Stich.

Der Tierschutzverein Ingolstadt e.V. übernimmt seit 107 Jahren Verantwortung für den Tierschutz in der Region. Er entlastet die Stadt vor ihrer Aufgabe, sich um das Wohl der hilfsbedürftigen Tier zu kümmern. Seit Jahren bemühen sich die Tierschützer um eine faire Bezahlung dieser wichtigen Aufgabe. Jetzt soll damit aber Schluss sein: der Verein kündigt den Vertrag mit der Stadt.


Der Tierschutzverein kümmert sich bisher um Fundtiere, Sicherstellungen sowie hilfsbedürftige Wildtiere in Ingolstadt. Und dies Tag und Nacht an sieben Tagen die Woche. Das beinhalte die Abholung, Versorgung und die Übernahme der medizinischen Versorgung. Ein Fass ohne Boden, da sichergestellte Ziegen, Listenhunde mit Tollwutrisiko aber auch aus dem Nest gefallene Jungvögel zum Sortiment gehörten, die der Verein täglich versorgt. „Zu allem Überfluss soll der Verein alle Tierarztkosten zahlen, die Tierärzte der Stadt in Rechnung stellen“, so ein Tierheimsprecher und er fügt hinzu: „Vom Bau-, Ordnungs-, Gewerbeaufsichts- und Veterinäramt kommen jedes Jahr neue Auflagen, die der Verein nur mit erheblichem Aufwand erfüllen kann.“

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Für die pauschale Abrechnung zahlt die Stadt nur 30 Cent jährlich pro Einwohner. Das entspricht etwa 15 Prozent der Kosten des Vereins. Mit 72,5 Prozent ist die Fundtierversorgung jedoch größter Kostenfaktor im Tierheim. „Der Rest ist dem reinen Tierschutzgedanken geschuldet. Es ist offensichtlich, dass man dafür weder Mitarbeiter bezahlen, ein Auto unterhalten oder eine vernünftige Versorgung der Tiere sicherstellen kann“, so der Tierheimsprecher weiter.
Die Kommunen müssen sich um ihre gesetzlichen Aufgaben kümmern. Dies regelt sogar das Grundgesetz in Artikel 20a und darauf aufbauend das Bürgerliche Gesetzbuch in den Paragraphen 965 ff. und 90a. Der Ingolstädter Tierschutzverein fordert daher eine faire Bezahlung dieser Dienstleistung.

„Aber wieso hat es all die Jahre funktioniert?“, fragt der Tierheimsprecher und hat eine Antwort parat: „Tierschutz ist Emotion pur. Bevor Tiere nicht versorgt werden, geben Tierschützer ihr letztes Hemd, springen ein, wenn Personal krank wird, spenden Geld, wenn es mal wieder richtig eng wird. Mitarbeiter arbeiten für den Mindestlohn, leisten Überstunden und kommen mangels ausreichender Freizeit erschöpft und angeschlagen zur Arbeit. Das kann für eine gewisse Zeit gut gehen, nutzt aber den guten Willen der Mitarbeiter und Ehrenamtlichen aus. Tierschützer möchten mit ihrem Engagement den Tieren ein besseres Leben geben und nicht die Stadt aus der Verantwortung ablösen. Hinzu kommen gesetzliche Vorgaben, Mindestlohnerhöhung und willkürliche Vermehrung von Katzen mangels einer Kastrationspflicht sowie Hunden durch so genannte Hobbyzüchter, die ‚das auch mal ausprobieren wollten‘“.
Viele Tiere daraus würden im Tierheim landen zusätzlich viel Geld kosten. Der Tierschutzverein erwartet für das nächste Jahr Mehrkosten bei der Fundtierversorgung von rund 90.000 Euro alleine durch die Mindestlohnregelung. Daher sei es dem Verein nicht mehr zuzumuten, den Vertrag aufrecht zu erhalten. Die Geld- und Kraftreserven seien aufgebraucht.

"Wir müssen die Reißleine ziehen, um Schaden vom Verein und damit von unseren Tieren fernzuhalten", so der Vereinsvorstand geschlossen in der Entscheidung.

1,50 Euro pro Jahr und Einwohner fordert der Verein für die Fundtierversorgung, einzelne Abrechnung von Sicherstellungen und Listenhunden, Unterstützung bei der Vermittlung durch vernünftige Regelungen bei der Hundesteuer und der Listenhundeverordnung und die allgemeine Kennzeichnungspflicht für Hunde und Katzen. Auch die Kastrationspflicht für Katzen soll Thema werden. Gespräche auf Augenhöhe mit Finanzbürgermeister Albert Wittmann gaben bereits Hoffnungen für eine faire Lösung. Aber es wird noch ein langer Weg sein, bis eine Einigkeit erzielt wird.
Was passiert nun mit der Fundtierversorgung in Ingolstadt? Für die Tiere ändert sich nichts. Auch im neuen Jahr kümmert sich der Verein natürlich weiterhin um die Fundtierversorgung und lässt kein Tier im Stich. Er kann aber ab Januar 2017 aufgrund der kommunalen gesetzlichen Verpflichtung alle Kosten direkt nach tatsächlichem Aufwand an die Stadt weiter berechnen.

Der Ingolstädter Tierschutzverein bittet die Bürgerinnen und Bürger dieses Mal nicht um Spenden, sondern um etwas viel wichtigeres: die Hilfe zur Selbsthilfe. Unterstützen sie den Verein in der Forderung zu einem fairen Vertrag mit der Stadt, nehmen sie Bürgermeister und Stadträte in die Verantwortung. Wer sich selber ein Bild von der Lage des Tierschutzvereins machen möchte, kann das am kommenden Montag, 3. Oktober, machen. Da findet zwischen 14:00 Uhr und 17:00 Uhr der Tierheimtag statt. Begrüßung und Lagebericht gegen 15:00 Uhr. „Neben dem inzwischen schon legendären Kuchenbuffet gibt es ein Kinderprogramm, eine Tombola und viele Informationen rund um den Tierschutz“, so der Tierheimsprecher abschließend.

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