Tumorentfernung an Enddarm und Leber



Wichtiger Fortschritt zur patientenschonenderen Behandlung von Darmkrebs, der bereits in andere Organe gestreut hat.

(ir) Unter der Leitung von Prof. Markus Rentsch, Direktor der Klinik für Allgemein- Viszeral- und Thoraxchirurgie, wurden kürzlich bei drei Patienten Rektumkarzinome (Enddarmkrebs) zusammen mit Leber- bzw. Lungenmetastasen in nur einer Operation minimalinvasiv entfernt. Eine Entfernung solcher Tumoren in Kombination mit Metastasen über nur wenige Millimeter-lange Schnitte mittels Laparoskopie (Schlüssellochchirurgie) wird bisher nur an sehr wenigen Kliniken in Deutschland praktiziert.



Bei den drei Patienten war Enddarmkrebs in Kombination mit Tumor-Absiedelungen diagnostiziert worden. So konnten Rektumkarzinome mit Lebermetastasen in nur einem operativen Eingriff vollständig laparoskopisch entfernt werden. In einem anderen Fall wurde eine Metastase in der Lunge sowie ein Rektumkarzinom in nur einer Operation unter Anwendung der minimalinvasiven Methode für den Thorax (Brustkorb) und abdominell (bauchseits) erfolgreich entfernt.



„Auch in der onkologischen Chirurgie baut das Klinikum Ingolstadt seine Spezialisierung aus und kann den Patienten eine wohnortnahe Versorgung sehr komplexer Krankheitsbilder bieten,“ sagt Dr. Andreas Tiete, Geschäftsführer und Ärztlicher Direktor.



Das Team um Prof. Rentsch führte nur wenige Millimeter dünne Instrumente durch kleine (5 und 12 Millimeter lange) Schnitte in der Bauchdecke ein. Über die mit einer Mini-Kamera und Lichtquellen ausgestatteten Instrumente blickt der Chirurg ins Körperinnere. Da der Haupttumor bei Rektumkarzinomen frühzeitig einzelne Tumorzellen in die Lymph- oder Blutbahn aussenden kann, besteht ein relevantes Risiko für eine Metastasierung (Streuung und Tochtergeschwulstbildung) der Erkrankung. Beim Blick in die Bauchhöhle prüfen die Chirurgen zunächst, ob Metastasen zu finden sind, etwa in der Leber. Ist dies der Fall wird die Planung der weiteren Behandlung angepasst.



Erst danach entfernen die Ärzte den betroffenen Abschnitt des Enddarms. Je nach Ausbreitung des Tumors kommt auch der den Darm umgebende Fett- und Bindegewebskörper mit den darin liegenden Lymphknoten hinzu. Der Chirurg durchtrennt das Gewebe mit Instrumenten, die lediglich 5 mm Durchmesser besitzen, und versiegelt das Gewebe durch Strom oder Ultraschall, bevor die eigentliche Gewebedurchtrennung erfolgt. Die Bergung des Präparates muss dann über eine Vergrößerung eines Zugangs auf ca. 5 bis 8 Zentimeter an einer kosmetisch günstig gelegenen Stelle erfolgen.



Die Vorteile des laparoskopischen Vorgehens liegen für Prof. Rentsch auf der Hand: „Wir benötigen zwar im Mittel etwas mehr Operationszeit als bei der konventionellen Methode, die Vorteile sind ein besseres kosmetisches Ergebnis und ein früherer postoperativer Kostaufbau. Dies führt im Durchschnitt zu einem reduzierten Risiko für die Wundheilung und zu einer etwas kürzeren Liegedauer.“ Zusätzlich zeigen Studiendaten (van der Pas et al., Lancet Oncol, 2013), dass die lokale Tumorkontrolle durch die Schlüssellochchirurgie günstig beeinflusst wird.



„Würden wir mit der offenen Methode operieren, wäre ein Bauchschnitt von mindestens 20 cm Länge erforderlich, oder im Falle des Lungeneingriffs zwei separate große Schnitte an Brustkorb und Bauch“, erläutert Rentsch. An großen Zentren sei man bereits seit zehn Jahren bestrebt, minimalinvasive Technik für das Rektum mit der offenen Leberchirurgie zu kombinieren, um wenigstens einen Teil des ausgedehnten Bauch-Zugangs einzusparen. Bei komplexen Metastasensituationen an der Leber oder Einwachsen von Tumoren in Nachbarorgane kann der konventionelle Zugang wegen der besseren Übersicht auch nach wie vor sinnvoll sein.



Der Bereich von Enddarm und Leber verlangt Präzisionsarbeit für die Entfernung von Tumoren und Metastasen: Nur Millimeter neben diesem Operationsgebiet verlaufen viele Blutgefäße und Lymphknoten, die andere Organe versorgen, zudem viele Nervenstränge. Diese Nerven sind unter anderem für die Sexualfunktion wichtig. Daneben liegen Lymph- und Blutgefäße, die den Unterbauch und auch die Beine versorgen. Bei der Operation trennen die Ärzte diese Schichten, um alle diese Strukturen zu schonen, aber die dem Darmabschnitt zugehörigen Lymphbahnen mit möglichen Streuherden dennoch komplett zu entfernen.



Bei ausgedehnten Tumoren ist dies allerdings nicht immer machbar, und es wird eine lokale Vorbehandlung mit Strahlen- oder mit Strahlenchemotherapie empfohlen. Außerdem liegt die Leber in Bezug auf das Operationsgebiet des Enddarmes auf der gegenüberliegenden Seite der Bauchhöhle. Daher wird die Blickrichtung der Kamera und die Winkel der Arbeitsinstrumente um 90 Grad in die Gegenrichtung gekippt. Das Operationsteam muss dabei auf die andere Seite des Patienten wechseln.



Voraussetzung für die minimalinvasive Entfernung von Mastdarmkrebs in Kombination mit Metastasen an anderen Organen sind Chirurgen, die für beide Bereiche umfangreiche Expertise in der Schlüsselloch-Technik besitzen.

„Durch die zunehmende Superspezialisierung an großen Kliniken ist diese Doppelkompetenz selten“, sagt Rentsch. Am Klinikum Ingolstadt verfügen Prof. Rentsch und sein oberärztlicher Mitarbeiterstab mit Dr. Joachim Hetzer, Dr. Ekaterini Weschta, Dr. Francesco Fanizzi, Dr. Srdjan Brstilo, Dr. Paul Swatek und Dr. Ibrahim Rasched über entsprechende Kenntnisse und Erfahrung.



Darmkrebs gehört zu den häufigsten Tumoren in Deutschland und in den industrialisierten Ländern. Bei Frauen liegt er an zweiter Stelle, bei Männern an dritter Stelle in der Häufigkeit aller Krebserkrankungen. Die relative Fünf-Jahres-Überlebensrate, unter Berücksichtigung der Sterblichkeit in der Allgemeinbevölkerung, liegt bei 63 Prozent. Etwa ein Drittel der Neuerkrankungen betrifft den Enddarm. Der medizinische Fortschritt in der Diagnostik und Therapie der kolorektalen Karzinome hat in den vergangenen zehn Jahren zu einer kontinuierlichen Abnahme der Sterblichkeit geführt.

Das Foto zeigt Prof. Rentsch mit Dr. Joachim Hetzer und Dr. Iman Aglan-Buchholz im OP-Saal.