Wieviel (ver)trägt ein Kinderrücken?


 
Mediziner des Ingolstädter Klinikums geben zum Schulanfang Rückentipps.

(ir) In ein paar Tagen geht die Schule wieder los. Kinder laufen bepackt mit Büchern, Federmappen, Heften, manchmal noch dem Sportbeutel los. Da kommen schon ein paar Kilo zusammen, die den jungen Rücken belasten. Was man beachten kann, um Rückenschmerzen vorzubeugen, wissen die Experten vom Klinikum Ingolstadt Dr. Micha Bahr, Direktor der Kinder- und Jugendchirurgie, und Dr. Robert Morrison, Leiter der Sektion konservative und operative Wirbelsäulentherapie.

Oft sieht man wie Kinder den Rucksack lässig am Rücken baumeln lassen. „Doch dann werden die Schultern übermäßig belastet. Das Kind macht entweder den Rücken rund, da es von dem Gewicht nach unten gezogen wird, oder es wird nach hinten gezogen und macht ein Hohlkreuz“, erklärt Dr. Bahr. Eine ergonomische Passform und ein gut sitzender Beckengurt sind daher sehr wichtig. So passt sich der Ranzen perfekt an den Rücken an und das Gewicht wird optimal verteilt. „Bei teuren Wanderrucksäcken wird viel Wert auf die neueste Ausstattung gelegt. Dabei tragen wir diese im Schnitt vielleicht 20 Stunden im Jahr. Unsere Kinder müssen hingegen oft mit einem zwar bunten, aber billigen Modell Vorlieb nehmen, obwohl sie den Rucksack jeden Schultag tragen“, erklärt Dr. Bahr.



Aber nicht nur die Passform entscheidet, sondern auch das Gewicht: „Die Kinder sollten maximal zehn Prozent ihres Körpergewichtes auf dem Rücken tragen.“ Das ist nicht viel, wenn man sich anschaut, wie viele Bücher sie teilweise schleppen müssen. Dazu kommen Sportbeutel, Trinkflasche und Brotdose“ sagt Dr. Bahr. Immer mehr Schulen bieten zwar an, dass Kinder ihre Bücher in der Schule lassen können, oft ist es aber so, dass sie alles in den Rucksack packen, was im Laufe der Woche benötigt wird. Dr. Morrison erläutert weiter: „Wenn ein Rucksack deutlich schwerer ist als 10 Prozent des Körpergewichtes, wird die Wirbelsäule von Kindern zu stark belastet. Als Folge werden die Bandscheiben zusammengeschoben, was zu Rückenschmerzen führt.“

Klagt ein Kind über Rückenschmerzen sollte das auf jeden Fall ernst genommen werden, besonders wenn es häufig auf den gleichen Schmerz verweist. Die Ursachen für Rückenschmerzen liegen aber nicht allein im richtigen Umgang mit dem Schulranzen: „Haltungsschäden bei Kindern und Jugendlichen sind oft auf mangelnde Bewegung und damit einhergehendem Übergewicht zurückzuführen“, sagt Dr. Morrison. „In den meisten Fällen reicht abwechslungsreiche Bewegung, um die Rückenmuskulatur zu trainieren. Dabei spreche ich nicht mal von verschiedenen Sportarten. Es reicht schon, wenn die Kinder in der großen Pause auch tatsächlich rausgehen und sich bewegen. Leider sieht man immer öfter das Gegenteil – die Kinder spielen während der großen Pause mit ihren Smartphones.“ Das veränderte Freizeitverhalten der Kinder hat weitreichende Folgen. Einerseits ist ein erhöhtes Körpergewicht schlecht für ein gesundes Knochenwachstum, andererseits entstehen Nackenschmerzen durch die häufige Smartphone-Nutzung. „In den USA spricht man da von dem sogenannten Text-Neck, der entsteht, wenn man ständig nach unten auf sein Handy starrt“, so Dr. Morrison.



Die gute Nachricht aber bleibt: Gerade Kinder können mit viel Bewegung den Rücken fit halten und Schmerzen vorbeugen.

Das Foto zeigt Dr. Robert Morrison, Leiter der Sektion konservative und operative Wirbelsäulentherapie (links) und Dr. Micha Bahr, Direktor der Kinder- und Jugendchirurgie (rechts).