Zu früh geboren - Plötzlich Mama!


 
ELISA bietet Stabilisierungsgruppe für Mütter mit traumatischen Geburten an.

(ir) Das eine Geburt kein Spaziergang und oftmals mit Schmerzen verbunden ist – das wissen wir alle. Dass eine Geburt manchmal aber auch aufgrund der Umstände richtiggehend traumatisierend für die werdende Mutter sein kann – darüber sprechen die Wenigsten. Der Verein ELISA Familiennachsorge möchte den Frauen, die die Bilder, Geräusche und Umstände ihrer Geburt nicht aus dem Kopf bekommen, Hilfestellung bieten. Die Stabilisierungsgruppe für Mütter, die unter ihrer traumatischen Geburt leiden, startet Mitte September 2023.



Den 4. März 2015 wird Michaela aus Manching nie vergessen: Es ist der Tag, an dem ihre Tochter Christina zur Welt kommt – neun Wochen zu früh. Anfangs verlief die Schwangerschaft unauffällig, ab und an mal hier ein Zwicken oder da ein kleines Wehwehchen, aber nichts, was groß Anlass zur Sorge geben würde. Das änderte sich schlagartig, als Michaela in der 26. Schwangerschaftswoche routinemäßig beim Frauenarzt ist. Michaela ist zum damaligen Zeitpunkt erkältet, immer wieder muss sie husten. Ob diese Erkältung dazu beigetragen hat, dass der Muttermund geöffnet und Michaela auf direktem Wege ins Krankenhaus muss, ist bis heute ungeklärt.



Fakt ist: Ab diesem Tag ist das Klinikum Ingolstadt ihr Zuhause auf Zeit. Niemand kann sagen, wie lange Christina noch im Bauch bleiben kann. Obwohl Michaela das Bett nicht mehr verlassen darf, ist sie weiterhin optimistisch. Ärzte, Krankenschwestern, auch die Klinik-Seelsorger geben sich die Klinke bei Michaela in die Hand – sie alle wollen die werdende Mutter schonend darauf vorbereiten, dass ihr Baby aller Wahrscheinlichkeit nach ein Frühchen wird. Michaela kann diesen Gedanken zu dem Zeitpunkt nicht zulassen.



Den Ernst der Lage erkennt sie erst so richtig, als plötzlich vier Wochen später die Fruchtblase platzt und es hektisch wird in ihrem Krankenzimmer. Die Oberärztin erklärt, dass Christina den Startschuss für die Geburt gegeben hat und jetzt nicht länger im Bauch bleiben kann. Keine fünf Minuten später wird Christina per Kaiserschnitt auf die Welt geholt und direkt auf die Intensivstation verlegt. 44 Zentimeter ist sie lang, 1.680 Gramm schwer.



„Ich bin Physiotherapeutin. Während meiner Ausbildung war ich in Regensburg in der Kinderklinik und auf der Frühchenstation eingesetzt. Dort habe ich viel gesehen und gehört. Auch die ganzen technischen Geräte habe ich da kennengelernt. Es ist aber nochmal etwas ganz Anderes, diese Geräte plötzlich an seinem eigenen Kind zu sehen“, erklärt Michaela, die ihre Tochter erst einen Tag nach der Geburt zum ersten Mal sehen durfte. Zwei Wochen lang liegt Christina in Ingolstadt im Klinikum, ehe sie ohne ihre Mama nach Neuburg verlegt wird.



„Es war ein blödes Gefühl, mein Baby allein in der Kinderklinik zurücklassen zu müssen. Man hatte immer auch Angst, wenn das Telefon klingelt, dass die Klinik anruft und sagt es ist irgendwas mit meinem Baby.“ Es sollten noch weitere fünf Wochen vergehen, ehe Christina endlich nach Hause darf. Die Sorgen allerdings blieben. „Natürlich fragt man sich immer, ob der zu frühe Start ins Leben später noch Probleme mit sich bringt“, erklärt Michaela, die einige Zeit gebraucht hat, um die Frühgeburt zu verkraften. Nach einem Jahr geht die junge Familie zur Abschlussuntersuchung. Zu diesem Zeitpunkt merkt man Christina den rasanten Start ins Leben nicht mehr an. Heute ist sie acht Jahre alt und gesund. Christina wird Einzelkind bleiben, weil ihre Eltern eine erneute Schwangerschaft zu sehr fürchten. Den Grund für Christinas Frühgeburt kennt bis heute nämlich niemand. Die Angst vor einer Wiederholung sitzt deshalb bei den Eltern tief, zu tief für eine weitere Schwangerschaft.



Es sind Frauen wie Michaela, für die die Stabilisierungsgruppe von ELISA gedacht ist. „Traumatische Geburten sind Geburtserfahrungen, die für die betroffene Frau emotional und/oder physisch äußerst belastend sind“, erklärt Simone Haftel, die die Stabilisierungsgruppe gemeinsam mit ihrer Kollegin Nadine Kotzur leitet. „Solche Geburten können sowohl bei natürlichen als auch bei Kaiserschnittgeburten auftreten. Sie werden als traumatisch empfunden, wenn die Frau während des Geburtsprozesses extreme Angst, Verzweiflung, Hilflosigkeit oder Ohnmacht erlebt.“ Die Ursachen für traumatische Geburten können vielfältig sein, etwa eine Frühgeburt oder eine lange und schwierige Geburt, eine medizinische Intervention (wie etwa die Verwendung von Zangen oder Saugglocken oder aber ein Kaiserschnitt), mangelnde Kommunikation, fehlende Schmerzkontrolle oder aber Komplikationen für das Baby.



„Die Auswirkungen einer traumatischen Geburt können sich in Form von posttraumatischem Stress, Depressionen oder Angstzuständen äußern und die Bindung zwischen Mutter und Kind beeinflussen“, weiß Simone Haftel. „Es ist wichtig, dass Frauen, die eine traumatische Geburt erlebt haben, Unterstützung und professionelle Hilfe erhalten, um mit den erlebten Emotionen und den möglichen Auswirkungen umgehen zu können.



Die Stabilisierungsgruppe kann genau diese Möglichkeit bieten, aber nicht eine psychologische Begleitung ersetzen. Die Gruppe richtet sich an alle Frauen, die unter wiederkehrenden Erinnerungen und belastenden Bildern leiden und ihren Blick wieder nach vorne richten möchten.



Die Stabilisierungsgruppe für Mütter mit einer traumatischen Geburt startet am Freitag, 15. September 2023 und findet in Ingolstadt statt. In sechs Terminen, jeweils freitags abends sollen die betroffenen Frauen im geschützten Raum über ihre Erlebnisse sprechen, lernen, wie das Gehirn bei traumatischem Stress reagiert, Übungen zur Selbstregulation und Selbstberuhigung kennenlernen und Techniken zur Selbstkontrolle und Distanzierung von belastenden Erinnerungen anwenden. Anmeldungen sind jederzeit per E-Mail möglich an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein..