(ir) Schicksalsschläge und Langzeitarbeitslosigkeit – Karin Dirmeier
gab nie auf. Seit letztem Sommer arbeitet sie wieder als Erzieherin mit jungen
Flüchtlingen.
„Streng sein gehört auch dazu.“ Karin Dirmeier
ist sich der Bandbreite ihrer für die Erziehung junger unbegleiteter Flüchtlinge
erforderlichen Charaktereigenschaften durchaus bewusst, dennoch schätzen die
neun jungen Männer im Alter zwischen 17 und 19 Jahren neben aller Strenge vor
allem die Fürsorglichkeit der 61-Jährigen. Als den besten Ersatz für „Mama oder
Oma“ wissen die aus Syrien und Afghanistan stammenden Migranten ganz genau, was
sie an ihr haben.
In dem vom Kinder- und Jugendhilfezentrum St. Josef
angemieteten Gebäude in der Neuburger Innenstadt fanden sie nicht nur ein Dach
über dem Kopf, sondern neben einem neuen Zuhause nach Flucht vor Krieg, Folter
und Verfolgung auch Halt und Unterstützung – vor allem durch Karin Dirmeier und
ihrem Kollegenteam. Dabei lief es für die gelernte Erzieherin, die in einer
ersten Ausbildung vor vielen Jahren das Schneiderinnenhandwerk erlernte, in den
letzten Jahren „alles andere als gut.“
Nach knapp zweijähriger – durch
Krankheit und Arbeitslosigkeit bedingter – Zwangspause schaffte sie es jedoch,
wieder ins Berufsleben einzusteigen und so ihre ganz persönliche Bestimmung zu
finden.
Davor hatten mehrere Schicksalsschläge innerhalb der Familie ihre
Spuren bei ihr hinterlassen und zu alledem verlor sie ihre letzte Beschäftigung,
bei der sie straffällige Jugendliche betreute, durch die Schließung der
Einrichtung.
„Ich fiel in ein tiefes Loch und habe lange gebraucht, um
mich wieder zu fangen, wobei mir vor allem professionelle Hilfe sehr zugute kam.
Aber eines stand immer fest: Ich möchte wieder einen festen Job“, erzählt die
Mutter zweier erwachsener Söhne. Zwar konnte sie ihre Belastbarkeit selbst recht
gut einschätzen, dennoch scheiterte ein erster Versuch des Fußfassens.
Als sie ihrem Sohn im Frühjahr 2015 die Nachricht „Mir geht es gerade wieder
besser“ zukommen ließ, ging alles recht schnell. Der schickte ihr postwendend
die Stellenanzeige des Kinder- und Jugendhilfezentrums zu und nach einem mit
Unterstützung der Agentur für Arbeit initiierten mehrwöchigen Praktikums hatte
Karin Dirmeier ihren Arbeitsvertag ab dem 1. Juli in der Tasche: „Zufälle sind
das, was einem zufällt“, lautet deshalb auch das Motto der sympathischen
Erzieherin.
Alter bedeutet Erfahrung
Das Alter der
damals 60-jährigen spielte für St. Josef-Leiter Herbert Reim bei der
Personalauswahl keine Rolle: „Bei der Zusammensetzung unserer Teams achten wir
auf eine gesunde Mischung. Alter bedeutet Erfahrung und ist ein Wert, der bei
unserem Aufgabenspektrum eine ganz wesentliche Bedeutung hat. Dazu verfügt Frau
Dirmeier nicht nur über reichlich Lebenserfahrung und ist selbst Mutter, sie war
dazu auch viele Jahre bei einem Bildungsträger beschäftigt und besitzt aus
dieser Zeit noch ein dichtes Netzwerk zu potentiellen Praktikums- und
Ausbildungsbetrieben für unsere Jugendlichen.“
Ein deutscher Satz ist Pflicht
„Spannend, interessant und einfach etwas ganz Neues“, sind die Attribute, mit
denen Karin Dirmeier ihre neue Aufgabe beschreibt.
Bei aller Zielstrebigkeit, mit der sie die
Integration „ihrer Jungs“ vorantreibt, ist sie auch für ihre unkonventionellen
Methoden bekannt: „Neue Mitbewohner dürfen nach dem Essen erst aufstehen, wenn
sie einen kompletten deutschen Satz gesagt haben“, verrät sie augenzwinkernd und
wohl wissend, dass gute Deutschkenntnisse der Schlüssel für den Erfolg sind.
Potential Ältere
„Knapp 40 Prozent aller in der Region
arbeitslos gemeldeten Personen sind 50 Jahre und älter. Dort schlummert trotz
Fachkräftebedarf also immer noch ein großes Potential. Vor dem Hintergrund des
demografischen Wandels und der vielen positiven Eigenschaften, die erfahrene und
ältere Arbeitnehmer in den Betrieb einbringen, sollten wir dies nicht ungenutzt
lassen“, appelliert Peter Kundinger, Pressesprecher bei der Ingolstädter
Arbeitsagentur an ein Umdenken bei Personalverantwortlichen.