(ir) Vier Helfer aus den Wasserwachts-Ortsgruppen Manching,
Pfaffenhofen, Reichertshofen und Wolnzach begleiten einen Flüchtlingssonderzuge
von Passau nach Düsseldorf.
Seit über einem Jahr kommen jeden
Tag zum Teil tausende Menschen nach Deutschland, um hier Schutz vor Krieg, Not
und Verfolgung zu suchen. Diese enorme Menge an Flüchtlingen stellt unser Land,
aber auch jeden einzelnen von uns vor große Herausforderungen und Fragen. Eine
davon können vier Wasserwachtsmitglieder nun eindeutig beantworten: Wie soll man
mit diesen Menschen umgehen?
Um den gigantischen Aufwand und die großen Belastungen
von den Grenzstädten Passau und Freilassing abzuwenden, fahren von dort aus
täglich mehrere Sonderzüge Richtung Norden, um die neu angekommenen Flüchtlinge
in anderen Städten aufzunehmen und zu registrieren. Die Kreiswasserwachten und
BRK-Kreisverbände senden für diese Züge Trupps aus, um die medizinische
Versorgung an Bord sicherzustellen. Am Dienstag war es wieder soweit: Die
Kreiswasserwacht Pfaffenhofen stellte einen Trupp von vier Helfern aus den
Ortsgruppen Manching, Pfaffenhofen, Reichertshofen und Wolnzach, um einen dieser
Sonderzüge von Passau nach Düsseldorf zu begleiten.
Um rechtzeitig in
Passau sein und sich einrichten zu können, ging es für die vier Einsatzkräfte am
Dienstag schon kurz nach 4:00 Uhr los. Am Hauptbahnhof in Passau wartete schon
der Sonderzug: Ein ausrangierter Fernzug der Centralbahn mit Schlafwaggons für
die Flüchtlinge und einem ehemaligen Partywagen als Behandlungsraum. In diesem
waren notdürftig zwei Matratzen als Behandlungsbetten sowie ein Biertisch als
Schreitisch eingerichtet.
Dass man bei solchen Einsätzen improvisieren muss,
zeigte sich im Verlauf des Tages noch des Öfteren.
Kurz nach 8:00 Uhr
kamen dann die Busse mit denjenigen, die noch in der Nacht unterwegs waren und
nun von Österreich nach Passau gebracht wurden. Vor Ort konnte niemand sagen,
wie viele es werden sollten. Während die Flüchtlinge in den Zug stiegen, gab es
ein kurzes "Screening" im Vorübergehen: ein besonderes Augenmerk lag dabei auf
Schwangeren, Kindern und krank oder schwach wirkenden Personen.
Es kamen
fünf Busse mit über 260 Personen, größtenteils komplette Familien mit insgesamt
54 Kindern. Vom Säugling bis zum Greis waren dabei alle Altersschichten
vertreten.
Bereits kurz nach der Abfahrt um 8:40 Uhr kamen die ersten
Menschen in den Behandlungswaggon: Fieber, Husten und Halsschmerzen sollten die
Wasserwachtler den ganzen Tag begleiten. Einzelfälle blieben ein offener Knöchel
und die Folgeschäden einer Schlägerei. Als größte Probleme erwiesen sich dabei
Sprach- und Verständigungsprobleme sowie die Tatsache, dass nur eine sehr kleine
Anzahl an Medikamenten ohne Arzt ausgegeben werden darf. Ebenso waren ständig
Menschen da, die nichtmedizinische Probleme oder Fragen hatten, schließlich gab
es außer zwei Bahnmitarbeitern und den vier Wasserwachtlern keinerlei Personal
an Bord. Doch die Wünsche nach heißem Wasser für Tee beziehungsweise Kaffee oder
einer Steckdose zum Aufladen der Smartphones mussten wegen fehlender
Möglichkeiten alle verneint werden.
Nach kurzer Zeit konnten die
bereitgestellten Versorgungspakete in die Abteile ausgeteilt werden: Wasser,
Säfte sowie ein Schokoriegel und ein Käsebaguette waren für viele die erste
Nahrung seit vielen Stunden. Ebenso wurden für die vielen Kleinkinder und Babys
Breigläschen und Milchpulver verteilt. Hier zeigte sich zum ersten Mal die
Dankbarkeit der Menschen und die ersten Kinder konnten wieder lachen.
Diese Entwicklung sollte sich noch steigern: Beim späteren Austeilen von
zusätzlichem Wasser und Baguettes empfing die Helfer in jedem Abteil ein
strahlendes "Thank you" oder ein glücklich winkendes Kind. Man "kannte" sich
nach dem sechsten Mal Durchgehen. Ein freundliches und ernst gemeintes Lächeln,
ein "Hello" und Winken waren die ständigen Begleiter, auch wenn nicht alle
Fragen, die gestellt wurden beantwortet werden konnten. Wenigstens konnte
oftmals den Menschen die Angst genommen und ein Stückchen Sicherheit
zurückgegeben werden.
Manche der Flüchtlinge wussten nicht einmal, dass sie
in Deutschland sind, andere dachten Düsseldorf wäre ein fremdes Land.
Englischkenntnisse waren hierbei beiderseits absolut notwendig. Selbst mit dem
"Ohne-Wörter-Buch" das Wörter mit Bildern beschreibt, konnten die meisten
Krankheitsbilder nicht klar gemacht werden. Glücklicherweise fand sich immer
innerhalb kurzer Zeit immer ein Übersetzer, sodass die Kommunikation
einigermaßen reibungslos lief.
Je länger die Fahrt dauerte, desto öfter
wurden die Einsatzkräfte auf Personen aufmerksam gemacht, die mit Fieber zu
kämpfen hatten und teilweise nicht mehr aus eigener Kraft in den
Behandlungswaggon kommen konnten. Einmal war fast eine ganze Familie betroffen,
ein anderes Mal wurde ein kleines Mädchen erfolgreich behandelt: Im Abteil der
Familie lag es mit glasigem, teilnahmslosen Blick und hohem Fieber in den Armen
der Mutter. Da keine regulären Fiebertabletten für Kinder vorhanden waren, wurde
kurzerhand mit einem Hausmittel improvisiert: Aus einer in Streifen
geschnittenen Decke wurden mit dem an Bord vorhandenen Wasser Wadenwickel
gezaubert, mit denen das Kind innerhalb einer Viertelstunde erfolgreich
behandelt werden konnte. Es war für die Wasserwachtler ein herrliches Bild, wie
das Kind lachend und glücklich auf dem Arm des Vaters das Abteil wieder
verlassen konnte.
Um 16:25 traf der Zug planmäßig am Bahnhof
Düsseldorf-Flughafen ein. Hier wurden die Flüchtlinge von freiwilligen Helfern
empfangen und weitergeleitet, ebenso waren die Bundespolizei und Sanitäter des
ASB vor Ort, um für alles gerüstet zu sein. Für die im Sonderzug betreuten
Menschen geht die Reise nun entweder in eine andere Stadt weiter oder sie
bleiben vorerst im Düsseldorfer Erstaufnahmelager.
Die BRK-Helfer konnten nun
erschöpft, aber glücklich ihre Rückreise nach Bayern antreten. Nach insgesamt
über 20 Stunden unterwegs und fast 1.500 zurückgelegten Kilometern gab es jedoch
eine einhellige Meinung: Es war für alle eine beeindruckende und sehr positive
Erfahrung. Aus der grauen Masse wurden Menschen mit Gesichtern und die
glücklichen Kinderaugen machten alle Strapazen wett. Der Grundsatz des Roten
Kreuzes konnte hier voll und ganz ausgelebt werden.
In sechs Wochen wird
die Kreiswasserwacht Pfaffenhofen erneut einen Zug begleiten.