Caritasmitarbeiterin hat seit einem halben Jahr rund 700 Asylberatungen geleistet.
(ir) „Sie hilft uns bei allem, ob beim Ausfüllen von Formularen oder, indem sie in der Schule anruft, wenn wir krank sind und beim Arzt einen Termin vereinbart“, zeigt sich eine junge Frau aus Somalia dankbar für die Unterstützung der 25-jährigen Lilly Oblinger in der Ingolstädter Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber in der Marie-Curie-Straße. Rund 700 Beratungen für geflüchtete Menschen hat die in Vollzeitarbeit tätige Sozialpädagogin nach eigenen Angaben geleistet, seit mit ihr die Caritas-Kreisstelle Ingolstadt in die Asylarbeit dort vor einem halben Jahr eingestiegen ist. Ab 1. Dezember wird Lilly Oblinger in der Unterkunft mit derzeit knapp 250 Asylbewerbern von einem Caritasmitarbeiter in Teilzeitarbeit unterstützt.
Die Sozialpädagogin zeigt sich nicht zuletzt aufgrund der erfahrenen Dankbarkeit für ihre Beratung seitens der geflüchteten Menschen nach wie vor sehr motiviert, ist aber auch froh, jetzt Verstärkung zu bekommen. „Zum einen können die Klienten dann zwischen einer Frau und einem Mann wählen, was gerade bei intimen Angelegenheiten wichtig ist. Zum anderen kann ich mich dann zum Beispiel auch einmal im Spielzimmer blicken lassen und einen persönlicheren Kontakt zu den Menschen aufbauen, wofür mir momentan einfach die Zeit fehlt“, erklärt sie. Bisher ist der Alltag der Sozialpädagogin durch halbstündige Beratungen recht streng durchgetaktet. Zu rund einem Dutzend festen Terminen kommen zudem immer wieder „Notfälle“ hinzu: „Das passiert zum Beispiel bei dringenden gesundheitlichen Problemen, aber auch, wenn Fristen eingehalten werden müssen, sei es für Ratenzahlungen oder für die Möglichkeit einer Klage, wenn jemand einen Ablehnungsbescheid bekommen hat“, nennt die Caritasmitarbeiterin Beispiele.
Lilly Oblinger berät derzeit vor allem Asylbewerber aus Somalia und Nigeria, aber auch aus Afghanistan, Armenien, dem Iran, Jordanien, Sierra Leone und der Türkei. Etwa die Hälfte der fast 250 Menschen, die in den Containern in der Marie-Curie-Straße leben, sind der Caritasmitarbeiterin zufolge alleinreisende Männer. Doch es kommen auch viele Familien mit derzeit insgesamt rund 40 Kindern. Ungefähr 60 Menschen in der Unterkunft seien sogenannte „Fehlbeleger“, die eine Anerkennung bekommen haben, aber nicht ausziehen können, weil sie keine Wohnung finden. Die Hilfen bei vielfältigen Anliegen, mit denen sich Lilly Oblinger auseinandersetzt, bezeichnet sie selbst als „kunterbuntes Komplettpaket“. Natürlich stehe am Anfang die Beratung über das Asylverfahren im Vordergrund, „doch dann geht es weiter von der Suche eines Krippenplatzes über besondere Anliegen bei Krankheit oder Schwangerschaft bis hin zu Problemen mit Behörden. Zudem gebe ich Menschen Informationen über Rückkehrberatungen, wenn eine Anerkennung aussichtslos erscheint.“
Die Caritasberaterin ist froh darüber, „dass es in unserer Unterkunft anders als im Transitzentrum bisher nur wenige Konflikte gegeben hat, die einem normalen Lagerkoller geschuldet sind – und dies, obwohl die Menschen hier nicht nach Nationalitäten und Kulturen getrennt untergebracht sind“. Sie erlebt eine „den Umständen entsprechend gute Grundstimmung“. Die Asylbewerber spielen nach ihrer Beobachtung zusammen Tischtennis, Fuß- und Basketball, unterhalten sich auf den Gängen und helfen sich auch gegenseitig. Letzteres geschieht zum Beispiel durch Unterstützung bei Sprachproblemen in der Caritasberatung. „Wenn es weder auf Deutsch noch auf Englisch geht, übersetzen immer wieder einmal gerne Leute aus der Unterkunft selbst für die Klienten“, freut sich Lilly Oblinger über diese Bereitschaft.
Auch wenn die Caritasmitarbeiterin den neuen Kollegen zur eigenen Entlastung herbeisehnt, betont sie, dass sie bisher nicht als Einzelkämpferin in der Unterkunft agieren müsse. „Ich habe auch jetzt schon durch die Regierung von Oberbayern, die Betreiberfirma European Homecare, die Ehrenamtskoordinatorin der Stadt Ingolstadt und eine Krankenschwester des Gesundheitsamtes viel Unterstützung. Ohne ein Teamsystem würde das hier auch kaum funktionieren.“
Lilly Oblinger verhehlt nicht, dass ihr vieles, was sie mitbekommt, „schon auch unter die Haut geht“. Das sind vor allem die Fluchtgeschichten der Menschen, „die vom Verlust von Angehörigen bis hin zu Erlebnissen der Zwangsprostitution reichen“. Auch habe sie persönlich „schon mitgetrauert, dass vor kurzem ein Asylbewerber aus Somalia, der hier schon gut Deutsch gelernt hatte, aufgrund des Dublin-Abkommens nach Belgien abgeschoben wurde“. Doch es gebe auch schöne Erlebnisse: Als es der Caritasmitarbeiterin neulich gelang, einen Familienvater trotz „unklarer Bleibeperspektive“ in einen Deutschkurs zu vermitteln, sei seine Frau zu ihr ins Beratungszimmer gekommen und habe gesagt: „Lilly, darf ich dich umarmen?“ Diesen Satz, weiß die Sozialpädagogin, „hatte die Frau extra auf Deutsch auswendig gelernt“.
Das Foto zeigt Lilly Oblinger von der Caritas-Kreisstelle Ingolstadt, die in einem halben Jahr in der Gemeinschaftsunterkunft Marie-Curie-Straße rund 700 Asylberatungen geleistet hat.