(ir) Klinikum Ingolstadt klärt über die schwerwiegenden Folgen von
Alkohol am Steuer auf.
Mit Botschaften wie „Bunt statt blau“
oder „Stay gold“ werben immer wieder Kampagnen gegen das „Komasaufen“ unter
Jungendlichen und für einen verantwortlichen Umgang mit Alkohol.
Besonders eindringlich wendet sich die
Kampagne „P.A.R.T.Y.“ weltweit gegen eine fatale Kombination, die bei jungen
Menschen häufig zu schweren Verletzungen führt: die aus Alkohol und
Straßenverkehr. Bezeichnenderweise ist die Deutsche Gesellschaft für
Unfallchirurgie einer der Vertreter der Kampagne. Schließlich sind es die
Unfallchirurgen, die die schwersten Folgen von Alkoholkonsum zu sehen bekommen.
Denn sie behandeln häufig die Opfer. Auch im Klinikum Ingolstadt erfahren am
heutigen Donnerstag rund 100 Schüler der Fronhofer Realschule, wie schwerwiegend
die Folgen sein können, wenn der Alkohol am Steuer die Sinne benebelt.
Abends mit Freunden weg. Ein, zwei Bier gehen schon, sagen sie. Und etwas
Hochprozentiges zum Anstoßen – schließlich gibt es was zu feiern. Und das Auto
kann schließlich stehen bleiben. Oder doch nicht? So schlimm ist es doch nicht.
Ein Taxi ist eh zu teuer, und wie kommen wir sonst nach Hause? Ach komm, die
paar Kilometer passiert schon nichts. So oder so ähnlich lassen sich manchmal
die Gedankengänge von jungen Menschen zusammenfassen, wenn sie abends nach einer
Party ins Auto steigen und losfahren – ohne zu wissen, dass sie nicht zu Hause,
sondern in der Notaufnahme ankommen werden.
„Gefährliche
Kombination“
Tausende solcher Verkehrsunfälle gerade mit Beteiligung
junger Verkehrsteilnehmer passieren jedes Jahr in Deutschland. „Gerade jetzt im
Sommer haben wir jede Woche oft mehrere solche Fälle“, sagt Prof. Dr. Michael
Wenzl, der Direktor der Chirurgischen Klinik II im Klinikum Ingolstadt. „Nicht
selten ist dabei Alkohol im Spiel“, so Wenzl weiter. Der enthemme die jungen
Menschen, hinzu komme Übermut und Müdigkeit. Gleichzeitig fehle zudem oft die
Erfahrung im Straßenverkehr. „Eine gefährliche Kombination“, warnt der Leiter
der Klinik, die auf Unfallchirurgie spezialisiert ist. Der Konsum von Alkohol
führe oft dazu, dass die jungen Menschen Geschwindigkeiten und Situationen im
Straßenverkehr falsch einschätzten – eine Kurve wird so schnell zum
lebensgefährlichen Risiko.
Als vor Kurzem die Fronhofer Realschule aus Ingolstadt bei ihm anfragte, ob
man im Rahmen des „P.A.R.T.Y.“-Tags zum Thema Alkohol und Unfälle ins Klinikum
kommen dürfe, überlegte Wenzl daher nicht zweimal. „Das ist eine ganz tolle
Aktion, die wir sehr gerne unterstützen“, sagt der zweifache Familienvater. Auch
wenn seine Kinder mit 24 und 25 schon etwas älter und in dieser Beziehung recht
vernünftig seien, wie er sagt, kennt er die Situation und die Sorgen der Eltern
und hilft gerne dabei, das Bewusstsein für die Gefahren von Alkohol im
Straßenverkehr unter den Jugendlichen zu schärfen.
Denn genau darum geht
es bei der Aktion „P.A.R.T.Y“. Das Akronym steht für „Prevent Alkohol and Risk
Related Trauma in Youth“, also die Prävention von (Verkehrs-)Unfallverletzungen
unter Jugendlichen, die häufig durch Alkohol- oder Drogenkonsum,
Selbstüberschätzung oder bewusste Nachlässigkeit verursacht werden. Die Idee
dafür wurde vor 30 Jahren von einer Krankenschwester in Toronto ins Leben
gerufen und wird seitdem von Ärzten und Kliniken vorangetrieben. Nach 30 Jahren
ist „P.A.R.T.Y“ nach eigenen Angaben eines der weltweit erfolgreichsten
Präventionsprogramme für Schulklassen und Jugendliche im Alter von 15 bis 18
Jahren in Zusammenarbeit mit führenden Unfallkliniken.
„Helmlos
ist hirnlos“
Auch das Klinikum beteiligt sich nun an der Aktion und
möchte in Ingolstadt dazu beitragen, Jugendliche zu sensibilisieren, und ihnen
Wege aufzuzeigen, wie man auch einmal „nein“ sagen kann zu Alkohol, wenn man
später noch Auto fahren muss – oder eben mit dem Fahrrad. „Viele junge Leute
denken: ‚Fahrradfahren kann ich doch immer, auch wenn ich ein wenig mehr
getrunken habe‘“, sagt Wenzl. Seine Erfahrung als Unfallchirurg und
Notfallmediziner lehrt ihn etwas anderes. „Fahrradfahren ohne Helm ist
mindestens genauso gefährlich wie Autofahren ohne Airbag und Sicherheitsgurt“,
betont er. „Helmlos ist hirnlos.“
Auch wenn das vielleicht ein wenig provokativ formuliert sei –
die Kopfverletzungen nach Fahrradstürzen, die er gesehen hat, führen genau zu
diesem Fazit. Dasselbe gelte für Alkoholkonsum am Steuer. Einige Eindrücke davon
wollen er und weitere Experten im Klinikum beim „P.A.R.T.Y.-Tag“ den rund 100
Realschülern vermitteln – und zwar weitgehend ungeschönt. „Ich habe schon einige
böse Bilder herausgesucht“, kündigt Wenzl an. „Aber so sieht einfach die
Realität aus.“ Und die sei einfach am abschreckendsten, da ist sich Wenzl
sicher. Und darum gehe es schließlich: den Jugendlichen klar zu machen, dass das
Ganze kein Spiel sei, sondern für viele junge Menschen, die später mit den
Folgen leben müssten, bittere Wirklichkeit.
Zudem erfahren sie nach einer
Begrüßung durch Wenzl sowie Heribert Fastenmeier, dem Geschäftsführer des
Klinikums, an mehreren Stationen auch mehr darüber, wie in der Notfallklinik und
in anderen Bereichen des Ingolstädter Schwerpunktkrankenhauses geholfen werden
kann. Oder bei einer Vorführung mit einer speziellen Hightechpuppe zum Beispiel,
wie eine Wiederbelebung funktioniert und wie man im Ernstfall helfen kann. Und
sie besuchen neben der Unfallchirurgie auch die Intensivstation und die
Physiotherapie, wo häufig auch Unfallopfer versorgt werden. Auch die Polizei ist
mit dabei und vermittelt den Schülern, was unter Alkoholeinfluss am Steuer alles
nicht so gut funktioniert und warum Fahrradfahren unter Alkoholeinfluss nicht
nur sehr gefährlich, sondern schon deshalb auch nicht ohne Grund verboten ist.