Ein Beispiel zeigt: „Es muss nicht immer der gerade Weg sein!“
(ir) Es ist eine dieser Geschichten, die wahrlich nur das Leben schreiben kann. Beinahe 35 Jahre war Hans-Peter Schlecht auf dem Bau beschäftigt. Einer, der sein Handwerk von der Pike auf gelernt hat, der sich hochgearbeitet hat vom Maurerlehrling und -geselle, über den Maurermeister bis hin zum Polier und Bauleiter. Einer, der selbst den Brückenbau beherrscht und der vor allem die jüngeren Kollegen und den Nachwuchs an seinem immensen Erfahrungsschatz und seinem Wissen teilhaben lässt. Der Weg schien vorgezeichnet: Noch einige Jahre Bauleiter bei einem Ingolstädter Unternehmen und dann nahtloser Übergang in den verdienten Ruhestand.
Doch es kam ganz anders: Im zweiten Quartal des Jahres 2017 stellte man bei dem sympathischen Eichstätter eine niederschmetternde Diagnose: Gehirntumor. Was folgte, war eine schwere Zeit zwischen Hoffen und Bangen. Operation, Chemotherapie - zwei Jahre lang kämpfte der heute 60-Jährige gegen die Erkrankung – mit bleibenden Folgen für seine berufliche Tätigkeit. Der Verlust des räumlichen Sehens hat für Hans-Peter Schlecht ein eingeschränktes Sehfeld zur Folge, was nicht nur ein absolutes Fahrverbot – auch auf dem Fahrrad – nach sich zog, sondern ihm auch die Ausübung seiner geliebten Bauleitertätigkeit unmöglich machte. „Es wäre viel zu gefährlich, beispielsweise auf ein Gerüst zu steigen oder eine ungesicherte Treppe zu nutzen“, erklärt er. Da ihn auch sein bisheriger Arbeitgeber nicht weiter beschäftigte, stand Schlecht von heute auf morgen vor einem weiteren Problem.
Doch der Silberstreif am Horizont tat sich praktisch vor der Haustür auf. „Man kennt sich in Eichstätt und man kennt sich am Bau“, erklären Markus und Andreas Meier, beide Gesellschafter der ortsansässigen Unternehmensgruppe Martin Meier GmbH, unisono. Nachdem sie vom Schicksal Schlechts erfahren hatten, suchten die beiden das Gespräch mit dem Baufachmann, um auszuloten, welche Möglichkeiten für einen Einsatz im Unternehmen möglich wären: „Es muss nicht immer der gerade Weg sein, um sowohl für den Arbeitsuchenden als auch für den Arbeitgeber eine gute Lösung für beide Seiten zu finden“, weiß Andreas Meier. Denn schnell kristallisierte sich bei den Gesprächen heraus, dass ein Einsatz auf der Baustelle nicht mehr möglich sein würde. „Wir haben uns dann zusammengesetzt, um nach Lösungen zu suchen, ihm eine adäquate und seinen Erwartungen entsprechende Tätigkeit zu bieten und andererseits die Kenntnisse, die Kompetenz und die Fähigkeiten, die Hans-Peter mitbringt, nicht zu verlieren.“
Nach einigen Umstrukturierungen und Änderungen in den Arbeitsabläufen, entstand ein völlig neuer Arbeitsplatz im Unternehmen: „Wichtig war es, dass alle Beteiligten zu einer guten Lösung gelangen wollten, dies ist gelungen“, ergänzt Andreas Meier. Nach einer zweiwöchigen, von der Agentur für Arbeit Eichstätt unterstützten, Probearbeit war klar: es funktioniert. Seit Mitte Juli ist Hans-Peter Schlecht an seinem Schreibtisch im Bauzentrum Meier an der Weißenburger Straße zuständig für die Vor- und Nachbereitung von Projekten sowie für die Kalkulation und Abrechnung. Arbeiten, welche von den anderen im Unternehmen beschäftigten Bauleitern abgegeben wurden. „Ich bin sehr froh, hier die Chance bekommen zu haben, mich nochmals in einer unbefristeten Vollzeitbeschäftigung einzubringen“, freut sich der „Neue“.
„Am richtigen und passenden Arbeitsplatz kann jeder die volle Leistung bringen, da spielt das Handicap keine Rolle. Das Beispiel Meier/Schlecht zeigt auf beeindruckende Weise, was möglich ist, wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen und zu einer guten Lösung kommen wollen“, erklärt Peter Kundinger, Pressesprecher der Agentur für Arbeit, bei einem Besuch vor Ort.