Nach Ablauf dieser Stadtratsperiode beendet der Kommunalpolitiker 2020 mit zwei lachenden Augen seine politische Laufbahn.
Unsere Redaktion erreichte die Mitteilung von ÖDP-Stadtrat Thomas Thöne, die nachfolgend veröffentlicht wird:
„Im Frühjahr dieses Jahres werde ich 60 Jahre alt, für mich Anlass genug mich in meinen Urlaubstagen, über Weihnachten und Neujahr, damit auseinanderzusetzen, wie ich mir die verbleibenden Jahre in meinem letzten Lebensabschnitt vorstelle. Dies in der Gewissheit, dass meine biologische Sanduhr unwillkürlich abläuft und diese mehr leer als voll ist.
Im Oktober 1990 wurde mir durch die Wählerinnen und Wähler ein Mandat im Bezirkstag von Oberbayern übertragen, welches ich bis Oktober 2013 begleitete. Bei der Kommunalwahl 1996 wurde ich erstmals in den Ingolstädter Stadtrat gewählt, dem ich seit diesem Zeitpunkt angehöre. Diese bald 29 Jahre politischer Tätigkeit waren gekennzeichnet von vielen, oftmals zeitlich sehr langen, terminlichen Verpflichtungen, vielfach abends, samstags oder sonntags, dies neben der beruflichen Tätigkeit. Nicht auszurechnen ist die Zeit, die ich in, leider immer wieder, wenig ergebnisorientierten Besprechungen verbracht habe. Da es mir stets wichtig war gut vorbereitet in die Sitzungen zu gehen, auch mit entsprechendem Hintergrundwissen, standen wöchentlich zahlreiche Stunden an, in denen ich die Sitzungsunterlagen las und ich zu den Vorlagen der Verwaltung Hintergrundrecherche betrieben habe.
Hinzu kommen auf meinem bisherigen Lebensweg die zahlreichen ehrenamtlichen Tätigkeiten: 10 Jahre aktive ehrenamtliche Tätigkeit in der Freiwilligen Feuerwehr Ingolstadt. Von Januar 1979 bis 30. April 2014 engagierte ich mich ehrenamtlich als Rettungssanitäter, später als Rettungsassistent im Rettungsdienst, davon über 30 Jahre im BRK. Allein im Zeitraum vom 1. Mai 2004 bis 30. April 2014 fuhr ich dort 1.871 Einsätze im Ehrenamt, als Helfer vor Ort, Einsatzleiter Rettungsdienst oder Organisatorischer Leiter Rettungsdienst, wenn der Alarmpiepser zu jeder Tages- und Nachtzeit einen Notfalleinsatz signalisierte. Hinzu kommen etwa 3.000 ehrenamtliche Einsätze auf dem Rettungswagen.
In der Zeit vom 1. November 1999 bis 16. Oktober 2017 war ich durch die Sozialwahlen, ehrenamtlich im Beirat der AOK Ingolstadt engagiert. Den Hospizverein und den Verein „Pro Beschäftigung“ habe ich mitbegründet und in beiden Vereinen über Jahre im Vorstand mitgearbeitet. Seit 2014 bin ich Vorsitzender des THW-Fördervereins.
Nicht nur durch meine berufliche Tätigkeit, sondern auch durch die zuvor genannten Aktivitäten war ich terminlich immer sehr fremdbestimmt. In meiner letzten Lebensdekade möchte ich mehr persönliche Autonomie zurückzugewinnen.
Deshalb habe ich mich entschlossen im Jahr 2020 nicht nochmals für den Stadtrat zu kandidieren, da ich der Überzeugung bin meinen Beitrag zum Gemeinwohl geleistet zu haben. Ebenso werde ich bei den anstehenden Vorstandswahlen des ÖDP-Kreisvorstandes nicht mehr für ein Amt zur Verfügung stehen. Meine Entscheidung beinhaltet, dass ich im Jahr 2020 für die ÖDP auch kein Mandat in einem Bezirksausschuss wahrnehmen werde, sollte dies zu besetzen sein.
Beeinflusst in meiner Entscheidungsfindung hat mich auch, mein täglicher Weg zu meinem Arbeitsplatz, der mich durch den Bereich der Radiologie und an der Sonografie vorbeiführt, bei dem ich immer wieder feststelle, wie schnell und hart das Schicksal bei Erkrankungen, egal in welchem Alter zuschlagen kann. Sodass sich mir die Frage gestellt hat, wie möchte ich die mir noch verbleibende Lebenszeit verbringen und gestalten.
Die gewonnene Zeit möchte ich nutzen für Spaziergänge, Radtouren, den Besuch des Fitnessstudios, um wieder Zeit zu finden Bücher zu lesen, oder mich einfach bei Sonnenschein auf dem Balkon in den Liegestuhl zu setzen, die Sonne zu genießen und Musik zu hören. Dies alles selbstbestimmt, ohne terminliche Zwänge.
Natürlich werde ich auch weiterhin ein politischer Mensch bleiben. Ich könnte mir vorstellen kommunalpolitische Vorgänge aus journalistischer Sicht zu begleiten und zu kommentieren. Ob und wie dies erfolgen kann oder soll werde ich mir bis zum Ausscheiden aus meinen politischen Ämtern überlegen. Es ist wohl ein Privileg des Alters, sich selbst und auch anderen nichts mehr beweisen zu müssen.
Rückblickend kann ich feststellen, dass ich persönlich durch die lange Zugehörigkeit in verschiedensten Aufsichtsräten (Klinikum Ingolstadt GmbH, Gemeinnützige Wohnungsbau GmbH Ingolstadt, Wohnungsbaugesellschaft Oberbayerische Heimstätte, INVG Aufsichtsrat u.v.ä) und kommunalen Gremien und Ausschüssen viel an persönlicher Erfahrung sammeln konnte, für die ich dankbar bin. Diese Erfahrung stelle ich gerne, wann immer ich darum gebeten werde, auch künftig zur Verfügung.
Sorge macht mir, wie sich der Ingolstädter Stadtrat seit 1996, insbesondere in dieser Amtsperiode entwickelt hat. Der Stadtrat hat viel Entscheidungssouveränität, durch die Gründung von GmbHs und die Anhebung der sogenannten Wertgrenzen abgegeben. In den GmbHs sind Einzelstadträte und kleinere Gruppierungen überhaupt nicht mehr in die Entscheidungsprozesse eingebunden. Dies geschieht natürlich alles nach Recht und Gesetz, ist aus meiner Einschätzung aber demokratieschädlich, da die politische Vielfalt in diesen GmbHs nicht mehr abgebildet wird und politische Diskussionen, durch die Erhöhung der Wertgrenzen, wie Geld ausgegeben wird, oftmals nicht mehr im Stadtrat oder seinen Gremien stattfindet, sondern dies durch Verwaltungshandeln entschieden wird. Somit hat sich der Stadtrat selbst ‚kastriert‘ und marginalisiert. Die 56 Beteiligungsgesellschaften der Stadt Ingolstadt, die zahlreiche kommunale Aufgaben übernommen haben, sind durch den Stadtrat, in seiner Gesamtheit, aus meiner Sicht, kaum noch zu überblicken und schon gar nicht mehr zu kontrollieren. Auch in diesem Beteiligungsgesellschaften ist die zuvor genannte politische Vielfalt aus meiner Sicht nicht mehr gegeben. Dies alles schadet dem demokratischen Miteinander mehr als es ihm nutzt.
War unter einem Oberbürgermeister Peter Schnell noch ein wirkliches gemeinsames und ehrliches Ringen um die besten politischen Lösungen spürbar, Kompromisse unter einem Oberbürgermeister Dr. Alfred Lehmann, trotz harter politischer Debatten und Auseinandersetzungen, immer wieder möglich, sind wir jetzt in der Zeit des Löselismus angekommen. Dieser ist davon geprägt, dass der Oberbürgermeister den Stadtrat als notwendiges Übel ansieht, diesen nur einbindet, wenn es unumgänglich ist und nur so weit, wie es unbedingt erforderlich ist. Stadtratsmitglieder werden in Gut und Böse eingeteilt, je nachdem wie kritisch oder angepasst diese sind. Debatten werden als lästig angesehen und oftmals mit Geschäftsordnungsanträgen beendet. Viele Menschen in anderen Ländern wären dankbar, wenn diese das demokratische Recht der politischen Diskussion nutzen könnten. Wir beschneiden uns selbst durch Geschäftsordnungsanträge auf Schluss der Rednerliste oder Ende der Debatte. Einen besonderen Geschmack bekommt ein derartiges Verhalten dann noch, wenn ausgerechnet ein Bürgermeister einen solchen Antrag stellt, der als Teil der Verwaltung an Sitzungsvorlagen und langen verwaltungsinternen Entscheidungsprozessen beteiligt war, im Stadtrat aber dann durch Anträge politische Beratung verhindert.
Kann man den Altoberbürgermeistern Schnell und Lehmann politische Bescheidenheit und Mitmenschlichkeit attestieren, habe ich bei dem derzeit amtierenden Oberbürgermeister den Eindruck als sei er ein Getriebener von sich selbst, dem jegliche Souveränität fehlt, wie in so mancher politischen Debatte festzustellen war. Anstatt sich der politischen Auseinandersetzung zu stellen, wird oft Theatralik bemüht. Gigantismus blitzt immer wieder bei öffentlichen Verlautbarungen durch. Anstatt zu sagen bis zum Ende der aktuellen Amtsperiode möchte ich gerne noch 1.000 Bäume pflanzen, werden 1 Million Bäume für die nächsten Jahrzehnte in Aussicht gestellt, obwohl diese Zukunft nicht mehr in der eigenen Handlungs- und Regelungskompetenz liegt.
Ich hoffe, dass sich die politischen Mehrheitsverhältnisse im Jahr 2020 grundlegend ändern, dass es sich ausgelöselt hat und ein anderer Oberbürgermeister, aus den Reihen des demokratischen Spektrums, das Ruder in Ingolstadt übernimmt. An dieser politischen Zielsetzung möchte ich bis zur Kommunalwahl im März 2020 tatkräftig mitarbeiten. Danach verlasse ich die politische Bühne, nicht einmal mit einem weinenden Auge, sondern mit zwei lachenden, in der Hoffnung, dass ich die gewonnene Zeit in einem guten Gesundheitszustand für mich persönlich nutzen und genießen kann.
Danken möchte ich abschließend den Wählerinnen und Wählern, die mich bei den Stadtratswahlen immer mit einem starken Stimmenergebnis ausgestattet haben, auch wenn ich nie von den vordersten Listenplätzen in die Wahl gegangen bin. Diese Wahlergebnisse waren für mich immer eine Verpflichtung mich mit all meiner Kraft und Freizeit, fachlich thematisch eingearbeitet, politisch zu engagieren. Zwei Leitsätze haben mich dabei begleitet und geprägt: ‚Jeder Mensch hat, wie du, einen unverfügbaren Wert. Handle danach!‘ und ‚Nur ein Querdenker, ein Freigeist findet aus dem Labyrinth. Fliegen kannst du nur gegen den Wind‘.