(ir) Damit im Ernstfall jeder Handgriff sitzt, üben die Notärzte des
Ingolstädter Klinikums an Puppen.
Wer im Ernstfall auf alles
vorbereitet sein will, muss sich auch darauf vorbereiten – gerade in
Notfallsituationen, wenn es um jede Minute geht. Im Klinikum Ingolstadt
überlässt man dabei nichts dem Zufall: Selbst außergewöhnliche Situationen in
der Versorgung von Notfallpatienten werden hier regelmäßig lebensnah geübt. Das
Schwerpunktkrankenhaus hat dafür ein eigenes Simulationszentrum eingerichtet.
Denn Übung macht den Meister, sagt man. In der Notfallmedizin macht sie auch den
Retter.
„Phantome“ nennen die Mediziner
die Puppen, mit denen sie den Ernstfall proben können. Im Simulationszentrum des
Klinikums sind die lebensgroßen Kunststoff-Dummys regelmäßig im Einsatz. Die
zahlreichen Notfallmediziner im Klinikum trainieren hier regelmäßig mit den
Puppen. Denn selbst erfahrene Mediziner müssen sich immer wieder
vergegenwärtigen, was zum Beispiel an einer Unfallstelle alles auf die
Rettungskräfte warten kann. „Da werden auch einmal Dinge trainiert, die für
einen Arzt in der Realität vielleicht nur einmal im Leben vorkommen“, sagt Prof.
Dr. Gunther Lenz, der Direktor des Instituts für Anästhesie und Intensivmedizin,
zu dem das Simulationszentrum gehört.
Nicht nur die zahlreichen Ärzte des
Instituts, die im Rettungsdienst tätig sind, sondern auch Mediziner aus anderen
Fachabteilungen wie Rettungskräfte aus der Inneren Medizin oder der
Notfallklinik, aber auch viele notfallmedizinisch speziell ausgebildete
Pflegekräfte üben hier mit den Puppen. Die sind im Laufe der Jahre immer besser
und lebensechter geworden, sodass man mit ihnen fast alles trainieren kann, was
einem auch in der Praxis begegnen kann. „Es gibt heute sehr hochentwickelte
Simulatoren. Die können sprechen und die Pupille bewegt sich“, erzählt Dr. Achim
Ehrt, Oberarzt im Institut für Anästhesie und Intensivmedizin. „Da kommt man
spätestens nach fünf Minuten in ein Szenario rein, wo man ganz vergessen hat,
dass man eigentlich nur übt.“
„Skills Lab“ nennt man das im
Medizinenglisch – „Fähigkeitenlabor“, so könnte man es direkt auf Deutsch
übersetzen. In der Tat geht es eben darum, durch das regelmäßige Üben, wie es am
Klinikum im Rahmen von zahlreichen Fortbildungen regelmäßig dazugehört, die
Fähigkeiten so zu trainieren, dass man vor Ort sofort weiß, was zu tun ist –
etwa beim Atemmanagement, bei dem alles sehr schnell gehen muss. Denn wenn der
Patient nicht mehr atmen kann, herrscht sofort Lebensgefahr – das weiß jeder,
der schon einmal versucht hat, wie lange er die Luft anhalten kann.
Die
Notärzte machen dann eine Intubation: Sie legen einen Tubus, einen Schlauch, um
den Patienten kontrolliert mit Sauerstoff versorgen zu können. Das geht – auch
durch die regelmäßige Übung – binnen weniger Sekunden. Aber was, wenn die
Atemwege einmal blockiert sind, wenn sie vielleicht verletzt sind oder wenn der
Patient den Mund nicht aufmachen kann? Besonders dann muss jeder Handgriff
sitzen und spezielle Techniken sind gefragt. Oft verwenden die Ärzte dann etwa
fiberoptische Verfahren, mit denen die Mediziner einen Blick in das Innere des
Patienten werfen und so über Mund oder Nase den richtigen Weg für den Tubus
finden können. Dafür wird etwa ein sogenanntes „Videolaryngoskop“ eingesetzt,
mit dem die Ärzte auch bei problematischen Intubationen schnell und präzise
handeln können. Auf einem kleinen Bildschirm sehen sie genau, wo sie den Tubus
etwa über die Nase an Kehlkopf und Stimmbändern vorbei korrekt einführen können.
Auch bei den jüngsten Patienten ist das eine besondere Herausforderung. „In
der Kindermedizin sagen wir immer: Ein Kind ist kein kleiner Erwachsener und ein
Säugling ist kein Kind“, sagt Lenz, der mit seinem Team auch oft die jungen
Patienten im KinderZentrum des Klinikums mitversorgt. Denn Kinder brauchen oft
eine andere Medizin als Erwachsene. Zumindest aber geht es um ganz andere
Dimensionen: „Ein Neugeborenes wiegt vielleicht 2800 oder 3500 Gramm. Da gibt es
nur ganz feine Strukturen“, sagt Lenz. „Die Luftröhre ist da vielleicht nur vier
Zentimeter lang. Da bedarf es großer Aufmerksamkeit und Achtsamkeit“ – und vor
allem eines guten und regelmäßigen Trainings.
Denn wenn einmal ein
ungewöhnlicher Ernstfall, eine Ausnahmesituation eintritt, sollte man nicht
überrascht sein und erst nachdenken oder fragen müssen, sondern sofort handeln.
„Es kann einen immer erwarten, dass man auch unerwartet auf eine solche
Situation trifft, dass etwa ganz andere anatomische Verhältnisse herrschen, als
man das eigentlich kennt“, sagt Ehrt. „Solche schwierigen Situationen muss man
einfach üben.“
Das gehe aber nicht nur um einzelne Abläufe, die die
Rettungskräfte im Schlaf beherrschen müssen, sondern auch um komplexe Aufgaben
im Team. Gerade ein solches Teamtraining ist wichtig und wird im
Simulationszentrum des Klinikums immer wieder geübt. Wer macht was und wie
kommuniziert man im Ernstfall richtig? Das sind nur die einfachsten Fragen, wenn
es um die richtige Abstimmung in Notfallsituationen geht und keine Zeit bleibt,
um noch viel zu besprechen. Dann muss jeder Handgriff sitzen und sich jeder auf
den anderen verlassen können. Auch das wird in den regelmäßigen Simulationen
trainiert. Denn wie gesagt: Übung macht nicht nur den Meister, sondern manchmal
auch den Retter.