„Wohnungsproblem taucht fast täglich auf“


 
Caritas-Sozialberater schlagen Alarm und starten Kampagne „Jeder Mensch braucht ein Zuhause“.

(ir) Sozial schwache Menschen finden kein Zuhause. Dies erleben Sozialberater der Caritas im Bistum Eichstätt immer wieder. „In allen Caritas-Kreisstellen erfahren wir die Problematik mangelnden bezahlbaren Wohnraumes als sehr drängend. Viele unserer Klienten haben kaum eine Chance“, erklärt Bernhard Gruber, Berater bei der Caritas-Kreisstelle Ingolstadt und Sprecher für die Allgemeine Sozialberatung beim Caritasverband Eichstätt. „Politik, Gesellschaft und Kirche müssen mehr tun, um dieses Problem in den Griff zu bekommen“, fordert Gruber und spricht damit allen Caritas-Sozialberatern im Bistum aus der Seele. Auf die Problematik wollen diese gerade in diesem Jahr aufmerksam machen, in dem die Caritas bundesweit eine Kampagne unter dem Motto „Jeder Mensch braucht ein Zuhause“ durchführt.

„Die Menschen, die zu uns kommen, haben hohe Erwartungen, dass wir ihnen helfen, eine Wohnung zu finden, aber wir können diese Erwartungen leider oft nicht erfüllen“, bedauert der Ingolstädter Sozialberater. Wohnungssuchende Klienten reagierten daher oft verzweifelt: „Manche übernachten im Auto. Einige kommen bei Bekannten, Verwandten oder in Billigpensionen unter. Es geht so weit, dass junge Leute oft jeden Tag woanders schlafen – erst bei einem Freund, dann bei einem anderen“, nennt Gruber Beispiele. Selbst vom Einzug in eine Sozialwohnung könnten viele nur träumen. Der Sozialberater verweist auf ein Punktesystem, nach dem die Stadt Ingolstadt Wohnungsbewerber mit geringem Einkommen in „vordringlich“, „sehr dringlich“ und „dringlich“ einteile. Wer nicht als vordringlich gilt, habe selten eine Chance. „Und vorgeschlagen werden den Wohnungsbaugesellschaften vom Wohnungsamt zudem immer gleich mehrere Leute für eine Wohnung, von denen dann nur einer ausgesucht werden kann“, beschreibt Gruber das Verfahren. Und dass es auf dem freien Wohnungsmarkt noch schwieriger sei, liegt dem Caritasberater zufolge unter anderem daran, dass die Mieten einfach zu hoch seien. „Inzwischen gibt es auch Vermieter, die aus der Wohnungsnot Kapital schlagen, indem sie eher schlechte Wohnungen relativ teuer vermieten.“ Außerdem hätten bestimmte Bevölkerungsgruppen schon von vorne herein schlechte Chancen auf dem Wohnungsmarkt, wenn negative Schufa-Einträge oder frühere Mietschulden vorhanden sind.



Auch in Eichstätt ballen sich laut Hans Wiesner, Sozialberater bei der dortigen Kreisstelle, die Wohnungsanfragen: „Die Stadt hat zwar Sozialwohnungen, doch diese reichen bei Weitem nicht aus, um den Bedarf zu decken.“ Zahlreiche anerkannte Asylbewerber müssten aufgrund des fehlenden Wohnraumes als „Fehlbeleger“ in ihren Unterkünften bleiben. Neben ihnen suchten zudem Zuwanderer aus EU-Ländern, die in der Region im Niedrigsektor arbeiten, Wohnraum. So konkurrierten auf dem Wohnungsmarkt häufig „Einheimische“ gegen „Fremde“, was auch immer wieder einmal zu Feindseligkeiten führe. Wiesner erfährt auch immer wieder, dass für seine Klienten die festgelegten Mietobergrenzen für angemessenen Wohnraum „zu knapp bemessen sind“. Dies führe oft dazu, dass Sozialleistungsempfänger „sich Geld, das sie als Hilfe zum Leben erhalten, abzwacken, um den Differenzbetrag zu den erstatteten Wohnkosten zu zahlen“. In Nürnberg wurden nach Information von Caritas-Sozialpädagogin Gertrud Ziegler „zwar nach fünf Jahren die Mietobergrenzen angehoben, jedoch um 30 Euro so geringfügig, dass es nach wie vor für viele fast unmöglich ist, eine Wohnung zu finden, selbst bei Wohnungsbaugenossenschaften“.

Als extrem schwierig erlebt die für Schwabach und den Landkreis Roth tätige Beraterin Eva-Maria Öhmt insbesondere die Wohnungssuche von Menschen, die sich in einem privaten Insolvenzverfahren befinden. Als besonders dramatisch erfährt sie es, wenn bei Wohnraumverlust Kinder mitbetroffen sind. Öhmt hat vor kurzem erlebt, dass die fünf Kinder einer alleinerziehenden Mutter aufgrund des Wohnraummangels bei verschiedenen Leuten untergebracht werden mussten: „ein Kind bei der Oma, ein anderes bei der Tante, die anderen wieder woanders“. Selbst in Pflegefamilien seien schon einmal Kinder gekommen, obwohl sie gar nicht in diese gehörten, „nur weil man sonst keine andere Lösung fand“. Zwar versteht die Caritasberaterin auch, „dass man Kinder nicht in Obdachlosenunterkünften unterbringen will, aber dennoch ist das Auseinanderreißen natürlich für die Kinder und die ganze Familie extrem belastend“.



Dass gerade alleinerziehende Frauen einen schweren Stand bei der Wohnungssuche haben, erleben auch Nicole Ohrner und Bianca Stieglmeier, die für die Caritas in Ingolstadt speziell diese Menschen beraten. „Bei den meist hohen Mieten hier ist das für viele ganz schwierig“, so Bianca Stieglmeier. „Und für Sozialwohnungen gibt es in Ingolstadt oft eine Wartezeit bis zu zwei Jahren“, ergänzt Nicole Ohrner. Nicht wenige Frauen lebten daher weiterhin mit dem Mann in einer Wohnung, von dem sie sich getrennt haben oder trennen wollen. „Das ist natürlich sehr bedrückend und belastend.“

Selbst im ländlich geprägten Herrieden ist Sozialberater Michael Deffner zufolge „die Wohnraumproblematik durchaus vorhanden“. Es gebe freie Wohnungen in Dörfern, „die sehr schlecht an den öffentlichen Nahverkehr angebunden sind“. Mit mangelnder Mobilität sei gerade Menschen, die sich in den Arbeitsmarkt integrieren möchten, freilich nicht geholfen, so Deffner. In Wemding, wo die Caritas-Kreisstelle Weißenburg eine Außenstelle hat, wird nach Erfahrung von Mitarbeiterin Gudrun Brendel „Wohnraum eigentlich mehr unter der Hand vergeben und unsere Klienten haben keinen Zugang zu diesem geheimen Netzwerk“. Im Internet und in der Zeitung suchten sie vergeblich nach Angeboten. In Neumarkt funktioniert die Mund zu Mund-Propaganda nach Erfahrung von Sozialarbeiterin Brigitte Falkner zwar ab und zu. Doch das reiche nicht aus: „Das Wohnungsproblem taucht fast täglich auf. Es betrifft sämtliche Alters- und Bevölkerungsgruppen. Und über die Stadt und die Wohnungsbaugesellschaften gibt es kaum Möglichkeiten, etwas zu finden.“