Ein Ärzteteam des Ingolstädter Klinikums bietet Wiederbelebungstraining für Schulklassen an.
(ir) Etwa 50.000 Menschen in Deutschland erleiden jedes Jahr einen Herz-Kreislauf-Stillstand. Bei etwa der Hälfte sind Mitmenschen in unmittelbarer Nähe. Nur rund zehn Prozent der insgesamt Betroffenen eines Herz-Kreislauf-Stillstands überleben. Würde bei den Patienten sofort mit einer Wiederbelebung begonnen, könnten jedes Jahr rund 10.000 Leben gerettet werden. Hier setzt die internationale „Kids save lives“ Aktion an. Schüler erlernen Wiederbelebungsmaßnahmen bei einem Herzstillstand. Die Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin des Klinikums Ingolstadt initiiert die Aktion in der Region und besucht Schülerinnen und Schüler der Tilly-Realschule, um ihnen die Herzdruckmassage beizubringen. Die Verantwortlichen wünschen sich, dass das Wiederbelebungstraining in den Lehrplan aufgenommen wird.
Kinder haben viel weniger Berührungsängste als Erwachsene – auch und vor allem in Notfallsituationen. Während Erwachsene oftmals noch überlegen, was sie bei einer Reanimation alles falsch machen könnten, legen Kinder und Jugendliche einfach los, wenn sie entsprechend geschult und vorbereitet wurden. „Und das ist im Falle eines Herzstillstandes das einzig Richtige, um Leben zu retten“, weiß Kirsten Stöckle, Fachärztin an der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin im Klinikum Ingolstadt. „Die Notfallmedizin als Teil der Anästhesie liegt uns besonders am Herzen. Denn wir sehen tagtäglich die dramatischen Folgen für Patienten und Familien, wenn die sofortigen Wiederbelebungsmaßnahmen außerhalb des Krankenhauses ausbleiben. Daher war es für uns eine Selbstverständlichkeit, dieses Projekt auch an unsere Schulen hier nach Ingolstadt zu holen und es mit der fachlichen Expertise unserer erfahrenen Notärztinnen und Notärzte nach Kräften zu unterstützen“, sagt Privatdozentin Dr. Martina Nowak-Machen, Direktorin der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin im Klinikum.
Die Aktion hat sich zur Aufgabe gemacht, Schüler ab der siebten Jahrgangsstufe in der leicht erlernbaren Technik der Herzdruckmassage zu schulen, so dass sie bereits in jungen Jahren die Techniken überall sicher anwenden können und – im Idealfall – auch an Familienmitglieder und Freunde weitergeben. „Es muss den Schülerinnen und Schülern klar gemacht werden, dass sie ein unglaublich wichtiger Pfeiler in der außerklinischen Reanimation sind und mit ihrem Wissen tatsächlich Leben gerettet werden“, so Kirsten Stöckle. „Außerdem macht nicht nur uns dieses Projekt Riesenspaß“, so die Fachärztin, die selber Mutter eines Siebtklässlers ist, „sondern mit vielen altersentsprechenden Techniken und Hilfsmitteln „packen“ wir die Schülerinnen und Schüler und begeistern sie dafür, spielerisch Verantwortung zu übernehmen.“
Kirsten Stöckle berichtet von Studiendaten aus Dänemark, die belegen, dass seit der Einführung des Wiederbelebungsunterrichts dort in Schulen und diverser Werbekampagnen die Quote der Laienreanimation von 20 auf 45 Prozent innerhalb von zehn Jahren gestiegen ist. „Das sind unsere Vorbilder. Die Quote der Laienreanimation ist in Ländern deutlich höher, die Wiederbelebungsschulungen im Lehrplan verankert haben“, blickt die Fachärztin auch zum nördlichen Nachbarn. Auch in Bayern soll der Wiederbelebungsunterricht an Schulen im Unterrichtsplan verankert werden.
Den Startschuss für die „Kids save lives“ Aktion machen Ende Juli die Schülerinnen und Schüler der siebten Jahrgangsstufe der Tilly-Realschule. Kirsten Stöckle und ihr Kollege, Dr. Dominik Kögler, ebenfalls Facharzt für Anästhesie und Intensivmedizin, sind dafür vom Dienst im Klinikum freigestellt, um den Mädchen und Jungen einen Schultag die Laienreanimation beizubringen. „Für uns ist das nicht nur ein Job, sondern als Anästhesisten eine echte Herzensangelegenheit“, sagen Kirsten Stöckle und Dr. Dominik Kögler, die sich auch persönlich für die Aktion stark machen.
Im Theorieteil informieren die Mediziner über die Zusammenhänge des Herz-Kreislauf-Systems, um den Schülerinnen und Schülern zu verdeutlichen, warum schnelles Handeln bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand unerlässlich ist. Danach geht es für die Klassen in die Praxis. Eine realistische Situation eines Notfallpatienten ermöglichen Reanimationspuppen. Die Puppen sind eine Spende des Morgentau Kinder e.V., Förderverein für kleine kranke Patienten, vertreten durch die erste Vorsitzende Gabriele Rusch. Der Verein, der für dieses Projekt zusätzliche Zuwendungen der Bürgerstiftung erhalten hat, unterstützt seit vielen Jahren Projekte des Klinikums. „„Kids save lives“ in Ingolstadt war auch nur deswegen möglich, weil der Förderverein die Puppen finanziert hat und das Projekt auch von Dr. Micha Bahr, dem Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendchirurgie, unterstützt wird“, freut sich die Chefärztin PD Dr. Martina Nowak-Machen über die Zusammenarbeit.
Schulen, die Interesse an einer Reanimationsschulung durch das Team des Klinikums Ingolstadt haben oder weitere Informationen benötigen, können sich gern unter der E-Mail-Adresse
Das Foto zeigt die Schülerinnen und Schüler der siebten Jahrgangsstufe der Ingolstädter Tilly-Realschule die lernten, was bei einem Herzstillstand zu tun ist. Dafür waren einen Vormittag lang zwei Ärzte der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin des Klinikums Ingolstadt mit Reanimations-Puppen vor Ort.