#Ingolstädter Angst


 
Karl Ettinger bringt mehrere Punkte unter der Überschrift „Transparenz“ vor.

(ir) Nachfolgend veröffentlichen wir die Haushaltsrede von FDP-Stadtrat Karl.

„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren auf den Zuschauerplätzen und Zuhörer am Livestream,
„Oberbürgermeister Lösel verspricht mehr Transparenz“ war im Bayerischen Rundfunk im Januar 2017 zu hören.
Das ist ein sehr ehren- und unterstützenswertes Vorhaben. Ist doch Transparenz – aus meiner Sicht – ein Schlüsselwert, um verloren gegangenes Vertrauen wiederherzustellen oder zu stärken. Dazu gehören der bedingungslose Zugang der gewählten Volksvertreter und deren wertschätzender Empfang zu und in all ihren Einrichtungen und das ist nicht verhandelbar.
Aber wie passt dieses Versprechen zusammen mit der jüngsten Absage an die FDP-Bezirksrätinnen des Bezirksrats Oberbayern, einer der Träger des Ingolstädter Klinikums, die ihren Besuch im Ingolstädter Klinikum ankündigten? Misstrauen gegenüber politischen Parteien, die nicht CSU heißen – oder sogar Angst vor möglichen, nicht steuerbaren Meinungsäußerungen ist mit Sicherheit nicht dazu geeignet, das verlorene Vertrauen wiederherzustellen. „Man hat nur Angst, wenn man mit sich selber nicht einig ist“, sagte Hermann Hesse dazu.
Der Alt-Oberbürgermeister und Ehrenbürger der Stadt Ingolstadt, Peter Schnell hat es schon vor langer Zeit richtig vorgemacht: Im Donaukurier vom 16.10.1975 war zu lesen, dass die Bezirksräte der FDP nicht nur willkommen waren, sondern sogar vom Oberbürgermeister selber empfangen und über den geplanten Klinikumbau informiert worden sind.
Und die Verbandsräte, die befürchten, dass dieser Besuch der politischen Selbstdarstellung diene, mögen sich daran erinnern, wer beim letzten Wahlkampf noch vor dem Rettungshubschrauber des Klinikums Christoph 32 posierte.
Es ist nicht unüblich, dass Bezirksräte sich Einrichtungen des Bezirks vor Ort ansehen und das ist auch gut so, denn vom Bezirk werden diese Einrichtungen ja auch unterstützt! Über 25.000 Treffer ergibt eine Google-Suche mit dem Stichwort „Bezirksräte besichtigen“. Erster Treffer ist übrigens gleich die CSU.
Meiner Meinung nach sollte die Öffentlichkeit so weit wie möglich informiert und einbezogen werden. Bereits im letzten Jahr hatte ich die Forderung formuliert, dass Wirtschaftsprüfer und Aufsichtsräte dem Stadtrat in öffentlicher Sitzung berichten. Sowohl beim Klinikum als auch bei den anderen Gesellschaften, bei denen die Stadt beteiligt ist.
Wer bezahlt letztendlich die Rechnung? Die Ingolstädter Bürgerinnen und Bürger – daher haben sie natürlich immer und jederzeit informiert zu werden. Und selbstverständlich ihre gewählten Vertreter.
Aber das ist nicht der einzige Punkt, was ich unter der Überschrift „Transparenz“ vorbringen möchte.
Die Ungleichbehandlung von Stadträten und Bürgern passt ebenfalls dazu und ist mir so ins Auge gestochen, dass ich dem gerne Platz in meiner Haushaltsrede gewähre:
Ausgerechnet die Partei, die am vehementesten gegen die Aufzeichnung des Livestreams der Stadtratssitzung mit dem Verweis auf mögliche Verletzungen der Persönlichkeitsrechte kämpft, ist wiederum genau die Partei, die auf eine flächendeckende Videoüberwachung der Ingolstädter Bürgerinnen und Bürger drängt.




Dabei wäre doch die Aufzeichnung und Bereitstellung des Livestreams eine gute, preiswerte und schnell realisierbare Möglichkeit, um es Bürgern zu erleichtern, das Geschehen im Rathaus zu verfolgen. Mit dem Vorteil, weniger interessante Passagen zu über- und genau zu den Stellen hinzuspringen, die die Bürgerinnen und Bürger interessieren.
Aber hier werden plötzlich Persönlichkeitsrechte ganz großgeschrieben. Warum geht’s dann in München, Dresden, Burglengenfeld, Essen und vielen anderen Städten?
Und bei der flächendeckenden Videoüberwachung unserer Ingolstädter Bürgerinnen und Bürger geht es auch. Offensichtlich werden deren Persönlichkeitsrechte nicht so hoch bewertet, wie die der Akteure im Rathaus.
Sie sehen, meine sehr geehrten Damen und Herren, im Bereich von Transparenz und Digitalisierung im Rathaus gibt es noch viel zu tun.
Aber auch zu den Themen Wohnen, Bildung und Verkehr möchte ich gerne noch ein paar Sätze sagen:
Erfreulich finde ich, dass die Notwendigkeit zu mehrgeschossiger Bauweise von einer breiten Mehrheit anerkannt wird. Erfreulich finde ich auch, dass mein Antrag, beim Verkauf von Baugrundstücken auch bei mehrgeschossigen Bauten soziale Kriterien anzuwenden, angenommen wurde. Damit ist die Grundlage für genossenschaftliches Bauen geschaffen. Genossenschaftliches Bauen ermöglicht auch Kleinsparern, eigenen Wohnraum zu schaffen und von der Planung über das Einbringen eigener Bauleistung bis zur Fertigstellung mitzuwirken.
Die Baugenossenschaft „Wagnis“ in München liefert tolle Beispiele, wie Menschen ihre Bedürfnisse nach einem stabilen sozialen Umfeld direkt vor der Haustüre verwirklichen können. Ein Zitat aus der SZ über Wagnis lautet „früher sprach ich von netter Nachbarschaft, jetzt mache ich sie mir selber“. Wir sollten uns überlegen, wie wir diese sehr zeitgemäße Art des zusammen Gestaltens und Lebens fördern können.
Über 37 Millionen EUR werden in 2018 in Baumaßnahmen für Schulen und Kitas investiert. Das gefällt mir und das trage ich gerne mit. Aber im Bereich Bildung bleiben wir immer noch weit unter unseren Möglichkeiten.
Eine breit getragene Vision einer Bildungsstadt Ingolstadt vermisse ich noch immer. Bildung als ein gesellschaftliches Gesamtprojekt, das auf anschauliche, lebendige, abwechslungsreiche Art Wissen vermittelt.
So kann zum Beispiel das Wissen rund um die Ernährung durch gemeinsames Kochen vermittelt werden und ich freue mich sehr darüber, dass dazu ein entsprechender Beschluss gefasst wurde.
Möglicherweise dient das als Blaupause für weitere Projekte, beispielsweise könnte das Thema Unternehmertum durch die Einbeziehung von Schulen in das Existenzgründerzentrum oder in den Gründerpreis der Sparkasse vermittelt werden. Damit könnte Ingolstadt auch seinen Beitrag dazu leisten, dass Unternehmertum wieder mit positiven Attributen wie verantwortungsvoll, mutig, ehrbar und stolz wahrgenommen wird.
Schulunterricht und Kitaangebote müssen so individuell sein, wie unsere Kinder. Daher freue ich mich über jedes weitere Bildungsangebot auch von privaten Trägern. Auch sie ringen darum, zeitgemäße Angebote zu formen, bei dem Wissen bestmöglich vermittelt werden kann. Sehr erfreulich ist daher auch der Grundsatzbeschluss zum Neubau der Wirtschaftsschule zu bewerten.
Hier wiederum hat die Kommune nun die Möglichkeit, das Thema Bildung weiter zu prägen und könnte ein Forum schaffen, bei dem sich Vertreter der unterschiedlichen Bildungsträger zum Wissens- und Erfahrungsaustausch treffen. Gute Ansätze und Methoden können damit verbreitet werden und Lehrende können dadurch ihre Methoden erweitern.
Als letzten Punkt gestatten Sie mir bitte, Ihre geschätzte Aufmerksamkeit auf den Straßenverkehr zu leiten:
Nach vorsichtigen Prognosen wächst der Individualverkehr in Bayern bis 2030 um mehr als 10% - der Schwerlastverkehr um mehr als 30%. Das sind jedoch nur statistische Durchschnittswerte. In Boomregionen – und dazu gehört Ingolstadt– wird sich die Verkehrssteigerung noch viel deutlicher auswirken. Das kommt zum einen von dem starken Wirtschaftswachstum und zum anderen von dem dadurch bedingten Zuzug.
Das spüren die Bürger Ingolstadt allerorts, auch am Probierlweg, wo jüngst verlangt wurde, denselben zur Sackgasse zu erklären. Sicher würde das zur Entlastung des Probierlwegs führen, andernorts würde sich derselbe Verkehr um genau diese Entlastung erhöhen.
Daher müssen wir dringen handeln und in größeren Zusammenhängen denken. Einerseits sollten wir einmal großflächiger denken und zusammen mit den größeren Städten um uns herum, wie München, Augsburg, Regensburg und München ein überregionales Verbundnetz mit schnellen Verbindungen schaffen. Nur ein großer Wurf, für den wir rasch die Weichen stellen sollten, kann uns angesichts des weiter steigenden Verkehrsaufkommens vor einem Chaos bewahren, wie es andernorts bereits stattfindet!
Andererseits dürfen wir uns nicht der Möglichkeit berauben, den Fern- und Schwerlastverkehr über eine Umgehungsstraße mit einer Donauquerung im Westen Ingolstadts um Ingolstadt herum zu leiten.
Bei weiteren Planungen eines Nationalparks Donauauen muss diese Möglichkeit weiterhin erhalten bleiben. Wenn nicht mehr für uns, dann wenigstens für nachfolgende Generationen.




Ich hoffe, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist mir gelungen, Ihnen meine Gedanken zu Transparenz, Wohnen, Bildung und Verkehr etwas näher zu bringen und dass wir diese Themen auch im neuen Jahr gemeinsam voller Respekt und Vertrauen gestalten werden.
Für die kontroversen oder auch konsensorientierten Diskussionen und sich daraus ergebende Erkenntnisse bedanke ich mich ganz herzlich bei Ihnen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
Auch bei den Mitarbeitern der Verwaltung – stellvertretend möchte ich hier unseren Oberbürgermeister nennen – bedanke ich mich für die Geduld und Zuverlässigkeit, mit der meine Fragen beantwortet wurden.
Wie jedes Jahr möchte ich ganz ausdrücklich die dankend erwähnen, die sich in den vielen Vereinen und Organisationen engagieren und damit unendlich wertvolle Arbeit von Bürgern für Bürger leistet. Was wäre eine Stadt ohne seine Ehrenamtlichen?
Ihnen allen wünsche ich noch eine Vorweihnachtszeit voller besinnlicher Momente, in der sie Ihre persönliche Weihnachtsbotschaft entdecken.
Uns allen wünsche ich viel Kraft und Ausdauer und im rechten Moment Gelassenheit und Geduld, um gemeinsam das neue Jahr anzupacken und zu gestalten.“