Motto der Grünen bei der Haushaltsrede: „Keine Frage des Geldes“ oder auch „Ein Haushalt der Möglichkeiten“.
(ir) Nachfolgend veröffentlichen wir die Rede von Petra Kleine, der Vorsitzenden der Grünen-Stadtratsfraktion:
„Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Bürgermeister und Referent*innen,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Stadtrates, Bürgerinnen und Bürger hier im Sitzungssaal und an den digitalen Hörgeräten,
wir beraten heute das Paket zum städtischen Haushalt 2018 – ein wohlgefülltes, geordnetes Stadtsäckel. Bei solch guten Zahlen und mit positiven Prognosen aus der Wirtschaft kann man mit Zuversicht nach vorne schauen.
Der Haushalt 2018 ist, kurz gesagt, keine Frage des Geldes. Es ist ein Haushalt der Möglichkeiten. Eine komfortable Situation. Doch auch mit Verantwortung. Verantwortung, das Richtige daraus zu machen. Mit dem Risiko, später vielleicht als Jahr verpasster Chancen gesehen zu werden.
Unser grüner Schwerpunkt liegt für 2018 auf Diversität, Nachhaltigkeit und Urbanität. Oder anders gesagt, wir wollen unsere Stadt so weiterentwickeln, dass Vielfalt als Ressource gesehen wird, dass das Stadtbild ein gutes Gesicht hat, dass Stadtraum und Naturraum Erlebnisse bieten, die es nur hier gibt. Hashtags dazu wären #Ingolstadt #Donau #Identität #Heimatgefühl. Das als grüner Faden durch die nächsten Minuten.
Zum Haushalt der Möglichkeiten kommt ein politischer Umstand, der sich (wohl nicht für die CSU, doch aus neutraler Sicht) als ein glücklicher Umstand für die Stadt erweisen könnte: Es gibt keine CSU-Koalitions-Mehrheit mehr im Stadtrat, im Bundesjargon würde man von Minderheitsregierung sprechen. Damit ist im Stadtrat nicht nur eine innere Blockade überwunden, auch die konfrontative Situation – Regierungskoalition gegen Opposition – ist durch die neue Pluralität abgelöst worden. Gerne bemühen die Medien da das „Zünglein an der Waage“. Doch liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zeit der Zünglein ist vorbei. Die „Mehrheitsbeschaffer für die CSU“ gibt’s nicht mehr und es braucht sie auch nicht.
Nicht um die „Zünglein“ wird es künftig gehen, sondern um Argumente, Konsens oder Kompromiss. Mehrheiten gibt es für Ideen und Sachanträge. Das macht uns offener und entkrampft, es stärkt den Stadtrat als Kontroll- und Kollegialorgan, es stärkt den Einfluss von Bürgerbeteiligung und es kann unsere Stadtgesellschaft stärken. Und dass letzteres gelingt und die einzelnen Bürger*innen tatsächlich besser erreicht werden, das, Kolleginnen und Kollegen, wird eine der Herausforderungen für uns alle sein.
Es gilt, dem zu begegnen, was spätestens seit der Bundestagswahl als gespaltene, verunsicherte Gesellschaft beschrieben wird. Viele Bürger*innen trauen den etablierten Parteien und Gremien nicht mehr viel zu. Dies hat einen Rechtsruck gebracht, der sich in Ingolstadt besonders stark gezeigt hat. Dieser Rechtsruck ist deswegen so kritisch zu sehen, weil im Zusammenhang mit national-sozialer Programmatik auch völkisch und fremdenfeindlich gesprochen und die geschlossene Gesellschaft propagiert wird. Zeitgleich haben Revisionisten und Rechtsextreme Ingolstadt überregional wiederholt in negative Schlagzeilen gebracht. Sie stellen unverhohlen und öffentlich unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung und unser gemeinsames Geschichtsverständnis zur Disposition.
Dem müssen wir eine klare Haltung entgegensetzen. Das kann heißen, revisionistischen Veranstaltungen unsere städtischen Bildungsorte nicht mehr zur Verfügung zu stellen. Das muss heißen, Gemeinwohl, Humanität und Solidarität täglich mit Leben zu füllen. Eine Reaktion kann nicht sein, zu verhandeln, dass 200 nigerianische Asylbewerber*innen aus Ingolstadt abverlegt und mit Menschen anderer Nationalitäten nachbelegt werden sollen. Dazu fehlt immer noch Ihre Erklärung, Herr Oberbürgermeister.
Eine Reaktion auf den Rechtsruck muss sein, um eine politische Kultur zu ringen, die mit der zunehmenden Pluralität konstruktiv umgeht. Die mit Mehrheit entscheidet, aber Minderheiten nicht ausgrenzt, die politische Gegner kennt, aber keine Feinde. Die in der Sache offensiv streitet, aber nicht vernichtet!
Eine Reaktion muss sein, als Stadt die Transparenz zu pflegen und es den Bürger*innen einfach machen, sich direkt einzubringen oder zu informieren. Im digitalen Zeitalter eigentlich kein Problem. Eine digitale Stadt, eine Smart City, lebt nach unserem Verständnis durch ihre Smart Citizens und diesen muss man u.a. Transparenz, Teilhabe und Mitgestaltung bieten, um attraktiv zu bleiben. Und da können wir mit dem Livestream gleich mal beginnen, Herr Oberbürgermeister. Wir sollten den vorgelegten Grundsatzbeschluss zur digitalen Stadt unter Punkt 1 gleich mal um „Politik“ ergänzen, das fehlt dort noch, und dann den Livestream endlich nutzerfreundlich, inklusiv und mediengerecht anbieten!
Ein Streitpunkt der Haushaltsdebatte 2018 ist die Einnahmenschätzung. Wie bereits in den Vorjahren tragen wir diese grundsätzlich mit – auch wenn die Prognosen tatsächlich nie eine Punktlandung sind, sondern eher so etwas wie ein „atmender Rahmen“. Vorsicht bei der Planung ist dafür ein Grund, den wir gut akzeptieren können. Wir sehen positiv, dass der neue Kämmerer bereit ist, der Kritik an der obligatorischen Haushaltssperre zu folgen und diese zurückzunehmen. Nicht enträtseln konnten wir, wo die Informationen des Bezirks an die Stadt zur Erhöhung der Bezirksumlage hin verschwunden sind.
Die Probleme, die wir für diesen Haushalt sehen, liegen nicht beim Investitionsvolumen, es ist keine Frage des Geldes. Uns macht nach wie vor Sorgen, ob die notwendigen Investitionen zeitgerecht umgesetzt werden können. Das Problem zieht sich durch die letzten Jahre. Ich erinnere an die noch geplanten Nachgespräche zum Baureferat und auch andere Verbesserungen, die angedacht sind, etwa bei den Ausschreibungen.
Nachholbedarf sehen wir immer noch beim smarten Energie-Management. Hier bedeutet fehlendes Personal leider auch Energieverluste, Geldverluste und – wenn wir denn eine hätten – eine schlechtere Klimabilanz.
Die Verkehrsplanung bleibt aus grüner Sicht hinter den Möglichkeiten und Notwendigkeiten zurück. Wir vermissen eine mittelfristige Erweiterung des Stadtbahn-Schienennetzes, z.B. mit den Anbindungen Weiherfeld oder IN-Campus. Wir kritisieren, dass eine zukunftsorientierte Verkehrsplanung, die Ingolstadt als Fahrrad- und Mobilitätsstadt propagiert, immer noch den einzigartigen Auwald als Ressource für Straßenbau vorhält. Wir stellen kritisch fest, dass das, was auf dem Papier steht, noch längst nicht auf der Straße angekommen ist. Bei der ersten Radvorrangroute ist die Stadtspitze ja schon an der ersten Ampel in alte Vorfahrts-Verlustängste zurückgefallen. Der Sinn einer Fahrradstadt liegt doch gerade darin, Vorfahrt zu geben. Aus gutem Grund. Nur wenn mehr Verkehrsteilnehmer*innen umsteigen, müssen wir Geld und Boden nicht im Straßenbau binden. Und: Der Straßenraum ist begrenzt, wir müssen Prioritäten setzen.
2015 war die Stagnation bei der Nutzung unserer Baudenkmäler ein deutlicher Grüner Kritikpunkt. Das hat sich mit der INKoBau positiv entwickelt. Sorge bereitet uns aktuell, dass der Komplex Dallwigk und Gründerzentrum immer größer zu werden scheint und doch noch aus den Fugen geraten könnte. Keine Frage des Geldes, ein Appell für Maßstäblichkeit.
Wettbewerb und Bürgerbeteiligung – das ist wohl Konsens in der ganzen Stadt – für die Kammerspiele des Stadttheaters sind Beispiele des Gelingens. Wir können mögliche Standorte erstmals wirklich beurteilen. Dafür ein echter Dank an die Stadtplanung, die international renommierte Architekt*innen dafür gewinnen konnte, sich Gedanken zu Ingolstadt zu machen. Darunter übrigens auch der Architekt des Bundeskanzleramtes. So etwas bringt natürlich auch ein bisschen Glanz in unsere Hütte!
Und wo wir grad bei Hütten sind: Die harte, ehrliche Diskussion um die Märchenhütten war letztlich gut für unsere Stadt. An dieser Stelle flechte ich unseren Appell ein, bei dem „Haushalt der Möglichkeiten“ nicht nur an die großen Projekte und Akteure zu denken, sondern auch auf die freie, heterogene Kulturszene schauen. Dafür haben wir ja die Kulturförderrichtlinien auf den Weg gebracht, um hier künftig klarer und transparenter zu sein, wenn wir die freien Kunst- und Kulturschaffenden in einem guten Jahr mehr fördern wollen.
Die Donauufer – zwischen Gerhart-Hauptmann-Straße im Norden und östlich der Stargarder Straße – als Naherholungsgebiete und dabei gezielt die standorttypische Tierwelt zu entwickeln, ist ein ökologisch und sozial relevantes Vorhaben. Die Zustimmung zu unserem GRÜNEN Antrag ist für uns wesentlich.
An dieser Stelle muss die GWG ausdrücklich erwähnt werden. Sie hat den Wohnblock Stargarder Straße 15a vor dem Abriss den BBK-Künstler*innen für ein temporäres Kunstprojekt geöffnet. Ingolstadt war als urbane, kreative und soziale Stadt überregional in den Medien. Und es war auch vor Ort eines der besten Kunstprojekte seit langem. Ehemalige Mieter*innen wurden ebenso erreicht wie die Jugendlichen aus der Nachbarschaft und Kunstinteressierte. Es war bewegend zu erleben, wie die Menschen sich noch Jahre später mit ihrer ehemaligen Adresse, mit ihrer Stadt und der Donau identifizieren. Und wonach so viele oft suchen: Da war sie spürbar, die Identität unserer Stadt.
Zurück zum Haushalt 2018. Sie kennen die Projekte, aus GRÜNEN Anträgen stehen erstmals Mittel für einen Lärmminderungs-Aktionsplan bereit, der Landschaftspflegeverband wird nochmal gedacht, Blühflächen für den Artenschutz und ein Stadtbäume-Konzept entstehen, eine Offensive für E-Ladesäulen wurde beschlossen, ein ökologischer Kriterienkatalog soll die Nachhaltigkeit beim Bauen verbessern.
Die Umsetzung der inzwischen zahlreichen Beschlüsse zur Kunst am Bau dürfen wir bitte nicht dem Zufall überlassen, sondern sollten sie, wie alles andere beim Bauen auch, gut vorbereiten. Hier hoffen wir, auch über den Gestaltungsbeirat künftig noch Fachkompetenz einholen zu können. Das muss 2018 auf Nachhaltigkeit hin strukturiert werden.
Eine Chance, die noch ungenutzt und unerkannt daliegt, ist der mögliche 3. Bayerische Nationalpark. Hier wären doch vor allem die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt die Gewinner*innen. Wir vermissen das Engagement der Stadtspitze dazu, diese Chance für die Stadt darzustellen und vor allem für unsere Bürger*innen zu ergreifen. Wir GRÜNEN würden uns das nicht nehmen lassen, erst recht nicht, wenn wir einen Ministerpräsidenten in unseren Reihen hätten, der Fragen klären und für den Nationalpark begeistern könnte. Wir können da nur wiederholt an Sie appellieren, Herr Oberbürgermeister, aus dieser Chance mehr zu machen. Schon jetzt, in der Phase der Sondierung. Es ist auch dies keine Frage des Geldes.
Zuletzt möchte ich mich im Namen der GRÜNEN Stadtratsfraktion bei der Verwaltung aufrichtig bedanken, für jegliche zuteil gewordene Unterstützung und Kooperation!
Und schließlich: GRÜNE Zustimmung zum Haushalt 2018“